Ver.di-Tarifvertrag zum Kohleausstieg stärkt RWE den Rücken
von Helmut Born
Im September 2019 hat der Bundeskongress der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di einen Beschluss «Nachhaltige Wirtschaft und aktiver Staat» gefasst. Darin ist die Forderung nach dem Erhalt des Hambacher Waldes und der Dörfer im Rheinischen Revier enthalten. Für die Umsetzung dieser Forderung ist seither in der Gewerkschaft so gut wie nichts passiert.
Im August letzten Jahres hatte Ver.di mit mehreren Energieunternehmen einen Tarifvertrag zum Kohleausstieg abgeschlossen. Dieser Vertrag hält sich strikt an das Kohleausstiegsgesetz der Bundesregierung, das im Gegensatz zum Kompromiss in der überparteilichen Kohlekommission keinen Erhalt der Dörfer mehr vorsieht und den Braunkohleabbau bis 2038 ermöglicht. Bis dahin möchte RWE im Rheinischen Revier ungestört seine Abbaupläne durchziehen, womit eben auch die Dörfer verschwinden sollen. Gegen den Abriss der Dörfer gibt es in der Region einen breiten Widerstand, der bis in beide christlichen Kirchen reicht.
Die Initiative «Gewerkschafter:innen für Klimaschutz» hat in einem Offenen Brief an Gewerkschaftsrat und Bundesvorstand Anfang März kritisiert, die für die Durchsetzung von Forderungen günstige Situation in den Tarifverhandlungen sei nicht genutzt worden, um mit RWE eine Vereinbarung zu treffen, die den Erhalt der Dörfer gesichert hätte.
Immerhin ist RWE und allen anderen Energieunternehmen an einem Tarifabschluss gelegen, da sie ohne einen Tarifvertrag auch keine staatlichen Gelder für die Aufgabe ihrer Anlagen bekommen. Das ist in dem Kohleausstiegsgesetz so geregelt.
Schon nach ein paar Tagen bekam die Initiative eine Antwort vom Bundesvorstand. Darin wird behauptet, dem Anliegen des Offenen Briefs liege offensichtlich ein Missverständnis zugrunde. Nach der Ver.di-Satzung entschieden Tarifkommissionen «eigenständig» und seien dabei an die festgelegten Grundsätze gebunden.
Tarifkommissionen nehmen in den jeweiligen Bereichen die Interessen der Mitglieder wahr. Deren Forderungen werden so weit wie möglich in Tarifverhandlungen umgesetzt. Nach den gesetzlichen Beschlüssen zum Ausstieg aus der Braun- und Steinkohleverstromung und einem politisch beschlossenen Ausstiegspfad galt es für die Tarifkommissionen der privaten Energiewirtschaft, die drohenden massiven Arbeitsplatzverluste tarifvertraglich abzumildern. Die in dem Offenen Brief angesprochenen Punkte seien nicht in Tarifverhandlungen regelbar.
Zum guten Schluss wird u.a. darauf hingewiesen, dass Ver.di zum 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens stehe und im übrigen in der Klimaallianz mitwirke und mit Fridays for Future eng zusammenarbeite.
Festzuhalten bleibt, dass der Ver.di Bundesvorstand offensichtlich bemüht ist zu betonen, dass er sich weiterhin für die Einhaltung der Ziele des Pariser Klimaabkommens einsetzt, und die Zusammenarbeit mit Teilen der Klimabewegung aktiv betreibt. Dies ist sicherlich eine erfreuliche Entwicklung. Damit ist Ver.di auch im DGB die Gewerkschaft, die am aktivsten eine solche Politik betreibt.
Die Weigerung jedoch, einen Kohleausstieg durchzusetzen, der mit den Pariser Klimazielen vereinbar ist, ist mehr als ein Wermutstropfen, zumal es genügend Studien gibt, die sowohl einen sozial verträglichen Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 wie auch den Erhalt der Dörfer vorsehen. Dies gegen RWE durchzusetzen, wäre sicherlich nicht einfach gewesen. Aber mit dem Widerstand in den Dörfern im Rücken wäre es für RWE sicherlich schwer geworden, seine Abrisspläne durchzusetzen. Wenn Gewerkschaften aber die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung vor Ort ablehnen und eher die Vorstellungen der Konzerne umsetzen wollen, bleiben sie in solch einer misslichen Rolle. Dies zu ändern bleibt nach wie vor eine Aufgabe. Nicht nur in den Braunkohlrevieren.
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