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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2021

Sie kommen gemeinnützig daher – und wirtschaften in die eigene Tasche. Wie Bertelsmann, Bosch & Co die Politik bestimmen
von Gerhard Klas

In den vergangenen Jahren hat in Deutschland die Anzahl gemeinnütziger Stiftungen drastisch zugenommen. 1999 waren es noch 8000, heute sind es knapp 21000.
Sie haben hier eine lange Tradition: Es gibt die parteinahen Stiftungen. Noch länger zurück reichen die zahlreichen kirchlichen Stiftungen, aus denen unter anderem Akademien, Waisen-, Kranken- und Armenhäuser hervorgegangen sind.

Besonders von sich reden machen heute Unternehmens- und Konzernstiftungen sowie solche reicher Privatiers. Sie machen einen großen Teil der Neugründungen der vergangenen Jahre aus und haben großen Einfluss auf die aktuelle Politik, auf das Gesundheitswesen, den Bildungssektor und die Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge.
Der Boom ist vor allem auf die wachsende Zahl üppiger Erbschaften und vor allem auf die enormen Steuererleichterungen zurückzuführen, die im Jahr 2000 unter der rot-grünen Bundesregierung in die Wege geleitet wurden. Mittlerweile können Stifter bis zu einer Million Euro bei der Einkommensteuer als «Sonderausgaben» geltend machen.
Noch lukrativer ist für sogenannte gemeinnützige Stiftungen, dass für sie sämtliche Gewinne aus Kapitalanlagen steuerfrei sind. Dazu gehören Mieteinnahmen, Aktienpakete und Unternehmensbeteiligungen. Viele Stiftungen – etwa die Bertelsmann-Stiftung, die 75 Prozent der Aktien des gleichnamigen Konzerns ihr eigen nennt – geben deutlich weniger über ihre Stiftung aus, als sie an Steuern eingespart haben. Auch die Robert-Bosch-Stiftung – ebenso ein Schwergewicht in der Branche – besitzt 92 Prozent des Weltkonzerns.

In die private Tasche
Das Stiftungsrecht eröffnet noch weitere Privilegien. Stifter und ihre Familien dürfen – anders als etwa die Gründer und Finanziers von gemeinnützigen Vereinen – bis zu einem Drittel des Stiftungseinkommens privat nutzen. Zudem ist der Anteil, den sie jährlich an Projekte ausschütten, die dem Stiftungszweck entsprechen, nicht gesetzlich festgelegt. Er soll nur, so das Gesetz, «angemessen» sein. Was angemessen ist, bestimmt der zuständige Finanzbeamte. Im Fall von Robert Bosch heißt das: Bei 2 Milliarden Euro Nettogewinn hat die Stiftung im Jahr 2014 weniger als 5 Prozent ausgeschüttet: 84 Millionen.
Fast alle Stiftungen – auch die eben genannten – sind als gemeinnützig anerkannt. Dabei fördern sie durchaus Projekte, die ihnen direkt oder indirekt Marktvorteile verschaffen oder gesellschaftspolitische Entscheidungen im Sinne des Unternehmens oder einer allgemeinen, neoliberalen Politikagenda vorantreiben.
Bertelsmann, Bosch sowie zahlreiche kleinere Stiftungen beabsichtigen zum Beispiel, den Schul- und Hochschulsektor, der wegen fehlender Steuermittel kaputt gespart wurde, mehr und mehr von privaten finanziellen Zuwendungen abhängig zu machen. Ein wichtiger Akteur in diesem Sektor ist der «Stifterverband der deutschen Wissenschaft», zu dem 3000 Unternehmen, Unternehmensverbände, Stiftungen und Privatpersonen gehören – aber keine Gewerkschaften. Er setzt auf «Deregulierung» des gesamten Hochschulsektors, «zunehmenden Wettbewerb» und noch mehr «Kooperation» der Hochschulen mit der «Wirtschaft».
Die «Stiftung Familienunternehmen» wiederum, eine Art Dachstiftung mit Sitz in Berlin, machte mobil gegen Mindestlohn und Erbschaftsteuer. Andere gemeinnützige Stiftungen, etwa Bertelsmann in Gütersloh, agitierten offen für TTIP, das umstrittene Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA.
Nicht nur für den Bundesverband Deutscher Stiftungen, der mehr als 4000 Stiftungen vertritt, sind die USA Vorbild. Philanthropie statt staatlicher Umverteilung, lautet das Motto, Almosen statt Sozialstaat. An Stelle eines Rechtsanspruchs bestimmt dann der vom Stifter festgelegte Stiftungszweck und das in der Regel handverlesene Stiftungskuratorium, wer finanzielle Unterstützung erhält und wer nicht.

Legale Geldwäsche
Nicht nur der US-Administration, auch dem deutschen Fiskus gehen schon heute durch die Steuervergünstigungen für gemeinnützige Stiftungen wichtige Einnahmen verloren: In Deutschland fehlen dadurch mindestens 450 Millionen Euro jährlich in der Staatskasse.
Begriffe wie «legale Geldwäsche» und «Entdemokratisierung der Gesellschaft» drängen sich geradezu auf. Es wird höchste Zeit, die Gemeinnützigkeit dieser Stiftungen auf den Prüfstand zu stellen – und nicht ausgerechnet den Vereinen den Gemeinnützigkeitsstatus zu entziehen, die tatsächlich wertvolle Leistungen für die Gesellschaft erbringen – etwa dem globalisierungskritischen Netzwerk Attac, der Kampagnen-NGO Campact oder gar der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN).
Ihnen allen wurden in den letzten Jahren die Steuervergünstigungen entzogen. Bertelsmann & Co hingegen dürfen großzügige Steuergeschenke einstreichen, obwohl sie ganz offensichtlich eine politische Agenda vorantreiben, die auf Kosten der Allgemeinheit geht.

Überaus informativ ist auch die Homepage www.scheinheilige-stifter.de/aktuelles/.

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