Jetzt erst recht: Enteignung der Immobilienkonzerne
von Peter Nowak
Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns den Deckel klaut», skandieren am Abend des 15.April bis zu 20000 Menschen in Berlin-Kreuzberg. Wenige Stunden zuvor hat das Bundesverfassungsgericht (BVG) den Mietendeckel für nichtig erklärt. Das Gesetz zur Neuregelung gesetzlicher Vorschriften zur Mietenbegrenzung hatte das Berliner Abgeordnetenhaus am 30.Januar 2020 beschlossen.
Zu dessen wesentlichen Regelungen gehörten ein Mietenstopp, Mietobergrenzen und Mietabsenkungen. Der Mietendeckel hatte in den letzten Monaten gewirkt und die massiven Mietsteigerungen gebremst. Die Immobilienbesitzer konnten in dieser Zeit etwas weniger Profite mit Wohnraum machen. Der Eigentümerblock, der im Berliner Abgeordnetenhaus aus CDU, FDP und AfD besteht, lief gegen den Mietendeckel Sturm und nutzten alle juristischen Mittel, um ihn zu kippen. Mit dem Urteil des BVG ist ihnen das gelungen. Wenige Minuten nachdem es bekannt wurde, stiegen die Börsenkurse der Immobilienkonzerne.
Doch die Spontandemonstration gegen das Urteil zeigt auch, dass die Berliner Mietrebell:innen nicht entmutigt sind. Sie wissen, dass ohne sie der Mietendeckel nie beschlossen worden wäre. Für einige Monate haben sie erlebt, dass ständig steigende Mieten kein Naturgesetz sind. Diese Erfahrung wollen sie sich nicht mehr nehmen lassen.
Schon öfter haben Urteile des BVG, die gegen eine aktive außerparlamentarische Bewegung durchgesetzt wurden, zu deren Radikalisierung beigetragen. Als 1975 das BVG die Fristenlösung, die Abtreibungen in einem bestimmten Zeitraum legalisieren sollte, kippte, radikalisierten sich Teile der Frauenbewegung. Sie fragten sich mit Recht, warum eigentlich ein Kreis von Männern in roten Roben über ihren Bauch entscheiden sollte.
Heute sollten sich die aktiven Mieter:innen fragen, warum eine Gruppe von Männern und Frauen, die von ihrer ganzen Lebensrealität her mehr mit Wohnungseigentümer:innen als mit einkommensschwachen Mieter:innen zu tun haben, über den Mietendeckel richten sollen. Die neue Parole «Mietendeckel bundesweit» könnte Mieter:innen aus verschiedenen Städten organisieren. Auch das Volksbegehren «Deutsche Wohnen und Co. Enteignen», für das aktuell in Berlin Unterschriften gesammelt werden, könnte jetzt mehr Unterstützung bekommen. Die Enteignung der Immobilienkonzerne wäre eine Losung nicht nur in Berlin.
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