Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie: Die Kampfbereitschaft der Metaller:innen wurde nicht genutzt
von Otto Ersching*
Noch vor Ostern einigten sich IG Metall und der Gesamtmetall NRW auf einen Tarifabschluss in der Metall- und Elektroindustrie. Vorangegangen waren kreativ gestaltete Warnstreiks der Metaller:innen zur Durchsetzung ihrer Forderungen. 800000 Gewerkschafter:innen beteiligten sich daran. Der Tarifabschluss in Nordrhein-Westfalen kam nicht ganz überraschend, der IG-Metall-Chef Jörg Hofmann hatte ihn bereits angekündigt.
Trotz Pandemie zeigten die Gewerkschafter:innen, wie schon 2018, eine hohe Kampfbereitschaft, um endlich wieder ein deutliches Plus ins Portemonnaie zu bekommen. Allerdings wurde, wie auch 2018, abrupt eine Tarifeinigung geliefert, die die Kampfbereitschaft der Mitglieder nicht widerspiegelt.
Zur Erinnerung: Eine zentrale Forderung zu Beginn der Tarifauseinandersetzung waren 4 Prozent mehr Lohn, die zu Teilen für eine Arbeitszeitverkürzung eingesetzt werden sollten. Bereits diese Forderung war kritikwürdig. So schrieb die Vernetzung kämpferischer Gewerkschaften dazu: «Wir befürworten auch die Arbeitszeitverkürzung auf die 4-Tage-Woche, finden es aber nicht in Ordnung, wenn die Kolleg:innen das mit Abzug von der Lohnerhöhung bezahlen sollen…»
Geblieben ist eine steuerfreie Corona-Prämie von 500 Euro in diesem Jahr, eine Prämienzahlung in der Höhe von 18,4 Prozent im nächsten Jahr sowie danach fortlaufend für jedes Jahr eine Prämie in Höhe von 27,6 Prozent. Der Betrieb kann in wirtschaftlich schlechten Zeiten die Arbeitszeit verkürzen und die Prämie entsprechend anrechnen. Die IG Metall feiert das Ergebnis als eine Lohnerhöhung von 2,3 Prozent.
Der IG-Metall-Vorsitzende sagt zu dem Tarifabschluss, nun würden die Lasten der Krise nicht mehr allein den Beschäftigten aufgebürdet. Weit gefehlt!
Während viele Beschäftigte massive Lohneinbußen zu verzeichnen hatten und haben, werden Konzerne von staatlicher Seite mit Bürgschaften, Steuergeldern und Kurzarbeitergeld ausgestattet. Aktionäre werden auch in diesem Jahr wieder mit Dividenden beglückt. Die Verlierer sind die Beschäftigten, jetzt und in zukünftigen Krisen. In jeder Krise schmilzt die erstrittene Prämie dahin. Die Kapitalseite weiß dieses Instrument zu nutzen, um Personalkosten effektiv zu reduzieren.
Als weiterer zahnloser Tiger wird sich der Tarifvertrag «Zukunft, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigungssicherung» erweisen. Er enthält lediglich die Verpflichtung, über die zukünftige Ausrichtung eines Betriebs zu sprechen, wenn eine der Betriebsparteien es wünscht. Ein Zwang zu einer Einigung ist nicht festgeschrieben. Die autokratische Betriebsführung bleibt gewahrt.
Der Klassenkampf von oben hat seine Wirkung gezeigt, wie ein Kinnhaken. Die Drohungen der Industriebosse, Arbeitsplätze in das vermeintlich billigere Ausland zu verlagern und Arbeitsplätze zu vernichten, haben zu einem Kniefall geführt.
Die Metallindustrie steht vor einem gewaltigen Umbruch. Um die Klimakatastrophe noch abzumildern, ist ein sozial-ökologischer Umbau notwendig. Das betrifft sowohl die Produktionsmethoden als auch die zukünftige Ausrichtung der Produkte. Ein Festhalten am motorisierten Individualverkehr muss der Vergangenheit angehören.
Die notwendige Transformation der Produktion darf nicht zulasten der Beschäftigten erfolgen. Die Arbeit muss gerecht verteilt werden. Ein wirksames Mittel ist eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich.
Es müssen aber auch gesellschaftlich sinnvolle Arbeitsplätze geschaffen werden. In der Kranken- und Altenpflege fehlen 200000 Pflegekräfte. Die Gesundheitsämter müssen wieder mit mehr Personal ausgestattet werden, um, wie jetzt, eine Pandemie wirksam und schnell in den Griff zu bekommen. Insgesamt müssen der gemeinwohlorientierte Sektor und die Sorgearbeit aufgewertet und attraktiv gestaltet werden.
Zugeständnisse sind genug gemacht worden. Es ist an der Zeit, dass hauptamtliche Gewerkschafter:innen Rückgrat zeigen – so wie die ehrenamtlich kämpfenden Metaller:innen auch. Arbeitsplatzsicherheit gibt es im Kapitalismus nicht.
Knallharte Klassenpolitik von oben muss mit einer solidarischen Klassenpolitik von unten beantwortet werden. Die Arbeiter:innen und die Gewerkschaften müssen wieder das Ruder übernehmen. Die Sozialpartnerschaft hat ausgedient!
*Otto Ersching sitzt für DIE LINKE im Rat der Stadt Lüdenscheid und ist Sprecher des Stadtverbands. Er ist Mitglied der IG Metall und aktiv in der Arbeitsgruppe Angestellte.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.