Das Ackersyndikat will Höfe und landwirtschaftliche Flächen dem Kapitalmarkt entziehen
Interview mit Jost Burhop*
Die Idee für das Ackersyndikat hat ihren Ursprung in der erfolgreichen Geschichte des Mietshäuser Syndikats. Wie lässt sich diese Struktur auf die Landwirtschaft übertragen?
Das Mietshäuser Syndikat ist eine rechtliche Struktur für einen Solidarverbund von selbstorganisierten Hausprojekten, die ihre Immobilien in Gemeineigentum überführen wollen. Dieser Kerngedanke ist nicht weit entfernt von der Entprivatisierung landwirtschaftlicher Flächen. Mit dem Ackersyndikat wollen wir diese Grundidee auch für landwirtschaftliche Flächen nutzen. Komplett übernehmen können wir diese Struktur aber nicht. Denn mit dem Grundstückverkehrsgesetz gibt es besondere Bedingungen, die erfüllt sein müssen, um landwirtschaftliche Flächen kaufen zu können. Allerdings liegen mit sozial-ökologischer Landwirtschaft auch einige anerkannte Gründe für Gemeinnützigkeit vor, weshalb der Ackersyndikat e.V. gemeinnützig sein wird.
Spielt der Wohnraum auf den Höfen dabei auch eine Rolle?
Auf jeden Fall. Das Ziel des Ackersyndikats ist es ja, selbstorganisierte Höfe zu ermöglichen, die sich dauerhaft selbst tragen. Das ist theoretisch auch ohne Wohnraum möglich, wir gehen aber davon aus, dass es für die Lebendigkeit der Höfe notwendig ist, auch dauerhaft entprivatisierten Wohnraum für die Landwirt:innen zur Verfügung zu stellen. Die Hof-GmbH kann all diese Immobilien kaufen.
Welche Probleme gibt es in der Landwirtschaft, für die das Ackersyndikat eine Lösung anbieten könnte?
Heutzutage werden fruchtbare Böden oftmals als Kapitalanlage gesehen. Sie werden versiegelt oder für industrielle Landwirtschaft verwendet und damit zerstört. Durch die Spekulation sind landwirtschaftliche Flächen mittlerweile so teuer, dass der Kauf von Flächen mit umwelt- und sozialverträglicher landwirtschaftlicher Tätigkeit kaum noch refinanziert werden kann. Hier setzen wir an und schaffen als Solidarverbund eine Struktur, über die landwirtschaftliche Flächen dem Kapitalmarkt entzogen werden und dauerhaft entprivatisiert erhalten bleiben können. Wir sehen uns damit auch als Teil der sozial-ökologischen Transformation «von unten» und schaffen eine dezentrale Organisationsstruktur für solidarische, selbstorganisierte Kollektive. Auch dem Höfesterben treten wir damit entgegen und unterstützen Landwirt:innen bei der Hofübergabe.
In welchen Entscheidungen und Bereichen bleiben die Höfe autonom?
Eigentlich in allen, mit nur ganz wenigen Ausnahmen. Die Projektautonomie ist einer der Grundpfeiler des Ackersyndikats, genauso wie beim Mietshäuser Syndikat. Zustimmung von seiten des Ackersyndikats wird nur für den Verkauf von Flächen benötigt – diese Zustimmung wird allerdings nicht gegeben, wodurch die Unverkäuflichkeit der Flächen garantiert ist. Zudem muss bei der Änderung der Bewirtschaftungsweise die Zustimmung des Ackersyndikats eingeholt werden. So wird garantiert, dass die Flächen dauerhaft sozial-ökologisch bewirtschaftet werden und nicht einfach für konventionelle Landwirtschaft verwendet werden. Höfe können dafür sorgen, dass spezielle Bewirtschaftungsweisen wie beispielsweise Agroforestry oder biozyklisch-vegane Landwirtschaft langfristig festgeschrieben werden. Die Autonomie der Höfe wird also nur soweit eingeschränkt, wie es für den langfristigen Erhalt der Ziele der Hofnutzer:innen notwendig ist. Ansonsten ist alles der Selbstverwaltung überlassen.
Inwiefern unterscheidet sich das Ackersyndikat von Genossenschaften wie zum Beispiel Kulturland oder BioBoden?
Die genannten Genossenschaften sind sozusagen «gute» Investor:innengesellschaften. Bei ihnen ist das Kapital zentral in der Genossenschaft gebündelt, in der alle Kapitalgeber:innen mit Stimmrecht vertreten sind. Das ist für uns keine Selbstverwaltung. Das Sagen haben dort letztlich größtenteils Menschen, die nicht auf den Höfen leben. Zudem leisten sie keine Sicherung des Landes als unverkäufliche Commons. Denn das Eigentum an den Höfen liegt entweder komplett bei der Genossenschaft oder aber bei Kommanditgesellschaften, deren ganzes Kapital der Genossenschaft gehört. Das ist strukturell nicht anders als bei den «bösen» Investor:innen.
Die Kerninnovation des Mietshäuser Syndikats ist die Schaffung einer lokalen Immobilienbesitz-Körperschaft, in der die lokalen Nutzer:innen weitgehend autonom und nur in der Frage der Reprivatisierung beschränkt sind. Das ist das höchst mögliche Maß an Sicherung vor Verkäufen. So eine Struktur gibt es für die Landwirtschaft nur beim Ackersyndikat. Bei der Kulturlandgenossenschaft schreibt die Satzung hingegen nicht mal eine Zustimmung der Mitgliederversammlung für den Verkauf von Immobilien oder Geschäftsanteilen vor.
Zudem erzeugen beide Genossenschaften einiges an Organisationskosten, die dazu führen, dass die von den Projekten selbst eingeworbene Umfeldfinanzierung dem Hof nicht voll zugutekommt. Wir setzen dagegen auf ein Konzept von ehrenamtlicher Hilfe zur Selbstermächtigung, wie das auch beim Miethäuser Syndikat üblich ist.
Der Verein Ackersyndikat wurde Ende Oktober 2020 von zehn Menschen aus dem Netzwerk Solidarische Landwirtschaft und dem Mietshäuser Syndikat gegründet.
*Jost Burhop ist einer der Initiatior:innen. Das Interview erschien zuerst in der Zeitschrift Contraste 3/2021.
Mehr Infos unter: https://ackersyndikat.org/.
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