Erstes Wahlbündnis fast der gesamten radikalen Linken in Wien
von Paul Stern
Das im Januar 2020 gegründete Wahlprojekt LINKS hatte bis zur Wiener Kommunalwahl… nur acht Monate Zeit, sich zu stabilisieren und einen Wahlkampf in Zeiten der Pandemie zu führen.
Enttäuscht über die Ergebnisse der bis dato regierenden rot-grünen Wiener Koalition, kamen 500 Aktivist:innen aus sozialen Bewegungen, kleineren antikapitalistischen Organisationen und der KPÖ zusammen, um ein dezidiert antikapitalistisches Bündnis zu schmieden. Ziel war, über die Wahl hinaus einen aktiven Pol der Widerständigkeit aufzubauen.
Die Gründungskonferenz forderte ambitioniert sogar den Aufbau einer republikweiten Alternative. Aber als erste Etappe wollte LINKS am 11.Oktober 2020 in das Wiener Landesparlament und in möglichst viele Bezirksvertretungen einziehen. Mit 2,1 Prozent (14919) der Stimmen gelang der Einzug ins Landesparlament nicht, jedoch zog LINKS mit 23 Abgeordneten in 15 von insgesamt 23 Bezirksvertretungen ein, zum Teil mit sehr erfreulichen Stimmanteilen und in Fraktionsstärke. An diesem Erfolg hatte allerdings auch die auf 65 Prozent gesunkene Wahlbeteiligung (2015: 75 Prozent) einen Anteil. Selbst die Sozialdemokratie, in Wien die stärkste Partei, verzeichnete trotz absoluter Stimmenverluste Mandatsgewinne.
Seither hat es schon erfolgreiche Anträge in den Bezirksvertretungen gegeben, und LINKS-Fahnen sind bei fast allen außerparlamentarischen Aktivitäten zu sehen.
Programmatisch gruppiert sich LINKS um ein diffuses Nebeneinander von szenetypischen Forderungen, antikapitalistischen Versatzstücken und seriösen sozialen Forderungen. Alles wurde basisdemokratisch erarbeitet, auch die Wahl des Koordinationsteams war bis ins Detail ausgewogen. Gerade die älteren Genoss:innen sind aufgerufen, sich an die Prinzipien moderner Basisdemokratie zu gewöhnen. In der BRD kennen wir das von der Interventionistischen Linken. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, sich Schritt für Schritt ein passendes programmatisches Gerüst zu bauen.
Die befürchtete Vereinnahmung des Projekts durch die KPÖ ist ausgeblieben. Realistisch hätte eine zusätzliche Kandidatur der KPÖ den Niedergang dieser schwächelnden und in sich gespaltenen Partei nur beschleunigt. Lange hat die KPÖ mit sich gerungen, ob sie sich dem Projekt anschließt. Mittlerweile bezieht sich fast die gesamte radikale Linke in Wien elektoral auf das Bündnis.
Durch die Verankerung in vielen Bezirksvertretungen und ihr Auftreten auf der Straße wird sich LINKS längerfristig stabilisieren können. Es ist nicht auszuschließen, dass durch das prinzipienlose Agieren der Grünen weitere Aktivist:innen zur Partei LINKS stoßen werden.
Unabhängig von den Wahlen will LINKS mit Schwerpunktkampagnen ein Akteur in der Wiener Stadtpolitik sein. Es ist den zahlreichen kleinen linken Gruppierungen angeraten, sich aktiv bei LINKS einzumischen, etwas Besseres ist derzeit nicht in Sicht. Daher unterstützt auch die Sozialistische Alternative (SOAL) das Wiener Projekt politisch, und auch praktisch sind einige ihrer Genoss:innen in LINKS aktiv.
Eine republikweite Ausdehnung ist nicht in Sicht. Hier steht u.a. die starke Verankerung der KPÖ in der Steiermark im Weg. Allerdings werden bei einem möglichen Zerbrechen der türkis-grünen Bundesregierung die Karten neu gemischt werden. Sollte es dann zu einer Debatte um eine landesweite Wahlalternative kommen, wird LINKS wohl ein gewichtiger Faktor sein.
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