An den Rand notiert
von Rolf Euler
So knapp wie diese Überschrift ist einer der Lesens nötigsten Buchtitel, die in den letzten Tagen auf meinen Tisch kamen. Das Buch ist etwas mehr als fünf Jahre alt und erschien im Zusammenhang mit der Klimakonferenz in Paris.* Und doch soll dies keine Buchbesprechung, sondern ein Appell sein.
Ein Klimaforscher mit Schwerpunkt Eisentwicklung blättert auf 200 Seiten die Erkenntnisse der letzten Jahrzehnte zur Klimaentwicklung auf. Er berichtet knapp und fast in neutralem Ton von der Eisschmelze an Nord- und Südpol, auf Grönland und bei anderen Gletschern. Er verbindet diese Erkenntnisse mit weiteren über klimawirksame Atmosphäregase, Emissionen und Wassertemperaturen. Er zeigt dramatische Entwicklungen bei der Eisbedeckung des Nordpols, beim Schmelzen und Brechen des Schelfeises am Südpol und die Folgen für den Meeresanstieg sowie die Lebensmöglichkeiten im Ozean und an der Erdoberfläche auf. Er vergleicht die Entwicklung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre in den letzten 800000 Jahren: So hoch – mehr als 400 ppm – war der Gehalt noch nie in den letzten Warmphasen. Und noch nie ist er in nur einem Jahrhundert so schnell gestiegen – um 100 ppm. Damit einher geht ein gestörtes Verhältnis zwischen CO2-Gehalt der Atmosphäre und der Temperaturentwicklung der Ozeane, da kälteres Wasser mehr CO2 bindet als wärmeres.
Der IPCC-Report
Das alles und mehr ist auch im Klimareport des IPCC enthalten, der der Klimakonferenz von Paris vorlag. Dort wurde «beschlossen», die Erderwärmung unter 1,5 Prozent zu halten. Der Wissenschaftler Chris Rapley, der an den zugrundeliegenden Forschungen beteiligt war, hat sich mit dem Theater-Autor Duncan Macmillan für dieses Buch zusammengetan. Sie schreiben über die Forschungen. Über die genauen Untersuchungen. Über die Ergebnisse. Und über die Schlussfolgerungen, die sich aus dem wissenschaftlichen Material ergeben. Nämlich dass jetzt (2015!) schon klar ist – aufgrund der Verzögerung beim Temperaturanstieg gegenüber dem CO2-Ausstoß –, dass die Temperatur in diesem Jahrhundert auf 2° steigen wird. Und dass 4° eher wahrscheinlich sind, wenn so wenig geschieht wie in den vergangenen Jahren – mit desaströsen Folgen für das Leben auf der Erde.
Noch 27 Jahre
Um 2° nicht zu überschreiten, «dürfen» 800 Gigatonnen Kohlenstoff emittiert werden. Bislang waren es 530 Gigatonnen. «Wir haben noch 270 Gigatonnen übrig», heißt es auf S.157. Auf S.158 folgt dann der Satz?: «Aktuell verbrennen wir 10 Gigatonnen pro Jahr. Uns bleiben also noch siebenundzwanzig Jahre. Danach müssen die Kohlenstoff-Emissionen aufhören.»
Von 2015 aus gerechnet. Das zu erreichen, «dazu braucht es nicht mehr und nicht weniger als die größte kollektive Aktion in der Geschichte der Menschheit».
Mögen wir alle dazu beitragen.
*Chris Rapley, Duncan Macmillan: 2°. München: Droemer, 2015. 208 S., 14,99 Euro.
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