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Nur Online PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2021

Solidarität mit der Bürgerinitiative
von Michael Lorenz

Am 12. Mai 2021 fand vor dem Verwaltungsgericht Schleswig ein von zwölf Wedeler Anwohnerinnen und Anwohnern angestrengtes Verfahren gegen die ätzenden Partikelemissionen des Kohlekraftwerks Wedel statt. Beklagte war das Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume Schleswig-Holstein (LLUR), dass die Genehmigung für den Kraftwerksbetrieb, dem Betreiber Wärme Hamburg GmbH, verbieten sollte, so lange von dort gesundheitliche oder materielle Schäden ausgingen. Nach einer über 5-stündigen mündlichen Verhandlung wies das Gericht die Klagen ab.

Seit Jahren sind die Anlieger des Kraftwerks, eines der ältesten Deutschlands, je nach Windrichtung und Partikelausstoß, von diesen Emissionen betroffen. Aus diesem Grunde gründeten sie 2012 die Bürgerinitiative: Stopp! Kein Mega-Kraftwerk Wedel und belegten mit insgesamt 18 Gutachten ihre Schäden. Dabei handelt es sich jedoch nicht um „geringfügige Alltagsverschmutzungen“, so wie es das Gericht in seiner Urteilsbegründung sieht, sondern in erster Linie um zum Teil massive Eigentumsbeschädigungen an Fahrzeugen und Häusern. In der Vergangenheit wurde dies auch durch den früheren Kraftwerksbetreiber Vattenfall sowie dem heutigen Eigentümer Wärme Hamburg GmbH eingestanden, denn beide Unternehmen ließen sich mit Regressverträgen auf Schadensersatzzahlungen ein. Selbst der Gutachter von Wärme Hamburg schrieb die Schäden an den Pkws plausibel dem Kraftwerk zu.

Zudem sind gesundheitliche Schäden nicht auszuschließen, denn diese durch mehrere Gutachten nachgewiesenen Partikel sind sauer und somit ätzend und können besonders bei Kindern, denen diese Gefahr möglicherweise nicht bekannt ist, gesundheitliche Schäden hervorrufen.

Was den ganzen Prozess zu einer Farce macht ist der Umstand, dass das Gericht den Klägern, also die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner, keine wirkliche Möglichkeit bot ihre Sichtweise vorzutragen. Deren Sachverständiger wurde in die letzte Reihe des Gerichtssaals beordert und durfte nicht reden, die Zeugen mussten den Gerichtssaal verlassen und wurden ebenfalls nicht angehört. Auf die Inaugenscheinnahme beschädigter Fahrzeuge, die vor dem Gerichtsgebäude zur Dokumentation bereitstanden, verzichtete die Justiz und ein beantragtes unabhängiges Gerichtsgutachten lehnte die Richterin mit der Begründung ab, dass die dort festgestellten Partikel nicht ätzend seien. Dem Gericht seien darüber hinaus alle Gutachten (über 100) bekannt und diese Grundlage genüge für ein Urteil im Namen des Volkes. Wie absurd das Verhalten des Gerichts war, macht eine Pressemeldung im Nachgang zu der Verhandlung deutlich. Darin wurde das Urteil unter anderem damit begründet, dass die von der Gegenseite gelieferten Gutachten von den Klagenden nicht „hinreichend substantiiert“ gewesen seien, also nicht genügend entkräftet wurden. Dies hätte in einer fairen Verhandlung sicherlich zur Sprache kommen können. Das war jedoch nicht gewollt.

Eine Revision zu diesen Urteilen beim Oberverwaltungsgericht ist nur durch eine Beantragung möglich, also nicht automatisch. Dies will wohlweislich überlegt sein, denn Rechtsprechung ist auch vom Geldbeutel abhängig. Die Gerichtskosten des stattgefundenen Prozesses werden auf 3.000 € geschätzt, die Anwaltskosten sind fast doppelt so hoch.

Wie hartnäckig die Wedeler Bürgerinnen und Bürger bisher versucht haben ihren Kampf für eine saubere und gesunde Umwelt zu führen, lässt sich nicht nur an der zeitlichen Dimension ersehen, sondern auch an der finanziellen, denn bisher hat ihnen der Kampf bereits gut 300.000 € abverlangt.

Die Internationale Sozialistische Organisation (ISO) unterstützt die Anliegen der Bürgerinitiative Stopp! Kein Mega-Kraftwerk Wedel solidarisch und ruft zur finanziellen Unterstützung auf.

Konto der Bürgerinitiative: Linda Clausen-Hansen

IBAN: DE68 2005 0550 1280 5301 46

Stichwort:Kein Mega-Kraftwerk Wedel

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