Eine Studie des Umweltbundesamts über den Klimaschutzeffekt von Arbeitszeitverkürzung
von Rolf Euler
Eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes, die von mehreren Wissenschaftler:innen und dem Ökoinstitut in Freiburg erstellt wurde, geht der Frage nach, unter welchen Bedingungen eine Arbeitszeitverkürzung den CO2-Ausstoß vermindern würde. Es sei gleich vorweggenommen: Das Ergebnis ist eher mager, es zeigt aber auch, dass die Rechnung mit noch zu vielen Unbekannten gemacht wird.
Verständlicherweise hängt das vor allem von der Art und Weise ab, wie die Erwerbszeit verkürzt wird, ob es einen – evtl. nur teilweisen – Lohnausgleich gibt, wie die zusätzliche freie Zeit verbracht wird, ob es einen Arbeitsplatzausgleich gibt, und wie stark sich die Erwerbszeitverkürzung eventuell auf die Produktivität auswirkt.
Das Szenario
Es wird angenommen, dass die Arbeitszeit um 20 Prozent auf durchschnittlich 32 Stunden verkürzt wird – entweder täglich um 1,5 Stunden oder wöchentlich um einen Tag. Dann wird untersucht, ob der Lohnausgleich gar nicht, sozialverträglich teilweise oder voll erfolgt.
Der teilweise Lohnausgleich soll so gestaltet werden, dass die unteren Einkommensgruppen voll, die mittleren teilweise und die obersten gar nicht ausgeglichen werden.
Des weiteren werden verschiedene Arten der Freizeitgestaltung für die zusätzlichen freien Stunden untersucht. Etwa, dass mehr gereist, mehr oder anders konsumiert wird. Berücksichtigt wird ebenfalls, dass eine Erwerbszeitverkürzung der Vollzeitarbeitenden durch Einstellungen an anderer Stelle bzw. Arbeitszeitverlängerung der bisher Teilzeitarbeitenden (teilweise) kompensiert würde.
Die Studie zeigt, dass eine EZV von einem Tag pro Woche ohne Lohnausgleich u.a. durch die Einsparung der Fahrt zur Arbeitsstätte die größte ökologisch positive Folge haben würde, vorausgesetzt sie würde nicht durch Reboundeffekte bei Rationalisierung und Arbeitsplatzausgleich reduziert. Die Studie weist aber auch daraufhin, dass dies sozial unerwünschte Folgen und damit wenig Akzeptanz hätte. Die Autoren sagen: «Tatsächlich stellen wir fest, dass ein Dilemma zwischen einer ökologischen Ausrichtung von Erwerbsarbeitszeitreduzierung und erwartbaren sozialen Folgen besteht.»
Die Freizeit der Zukunft
Problematisch in der Studie sind die Annahmen für die Verwendung der zusätzlichen Zeit und deren Klimawirkungen, da hier so viele verschiedene Parameter zu berücksichtigen und verschiedene Einkommensgruppen ihre Freizeit unterschiedlich gestalten. Das reicht von «mehr Fernsehen», «mehr Urlaubsreisen», «mehr Care-Arbeit» oder «mehr soziale Kontakte» u.ä. – Tätigkeiten, die in sehr unterschiedlichem Maße den Ausstoß von Klimagasen befördern.
Aus der Vergangenheit gibt es einige Erfahrungen und Statistiken, wie sich Einkommensminderungen bei Erwerbszeitverkürzung ohne oder nur mit teilweisem Lohnausgleich auf das Konsumverhalten und damit auf die Energieintensität auswirken. Daraus kann ungefähr auf die (positiven) Klimafolgen geschlossen werden. Für Verhaltensänderungen in zusätzlicher Freizeit ist das nicht so einfach möglich.
Die Studie nimmt weiter an, dass Erwerbszeitverminderung mehr oder weniger voll auf die Produktion wirkt und berechnet allein daraus einen CO2-Rückgang von 8 Prozent. Das ist eine fragwürdige These, da in vielen Branchen schon bisher eine Erwerbszeitverminderung entweder durch Rationalisierung oder durch Neueinstellungen aufgefangen wurde.
Wieviel weniger CO2?
Je nachdem, wie Erwerbszeitverminderung zu (teilweisen) Einkommensrückgängen und (evtl. verstärktem) Konsumverhalten führt, errechnet die Studie in verschiedenen Szenarien im günstigsten Fall (ohne Lohnausgleich!) einen Rückgang der Treibhausgasemissionen von 2,2 Prozent, im ungünstigsten Fall (voller Lohnausgleich, «konsumorientierte Zeitnutzung») sogar eine Steigerung von 0,6 Prozent.
Des weiteren macht die Studie positive Vorschläge zu Verhaltens- und Konsumänderungen bei Arbeitszeitverkürzung. Sie kann dabei an positive Erfahrungen aus anderen Ländern anknüpfen. Doch erweckt dies den Eindruck, dass Hauptgründe für eine Erwerbszeitverminderung die Arbeitsbedingungen und die Bekämpfung der Erwerbslosigkeit bleiben, ein möglicher Klimaeffekt dagegen eher auf der Hoffnung beruht, die frei gewordene Zeit werde klimagünstig genutzt, als auf handfesten Grundlagen.
Eine Studie in Großbritannien ergibt, dass eine CO2-Einsparung von rund 20 Prozent erreicht werden könnte, wenn die 4-Tage-Woche eingeführt würde. Das zeigt, wie groß der Spielraum für Spekulationen hier ist. Wer sich auf solche Studien stützen mag, um die Forderung nach einer Erwerbszeitverkürzung zu unterstützen, sollte sich über die begrenzten Grundlagen der errechneten Zahlen klar sein.
Angesichts der komplizierten Annahmen und Berechnungen schreiben die Autoren zu Recht, dass die Umsetzung eines solchen Szenarios in ein positives politisches Klima sowie in einen allgemeinen gesellschaftlichen Wandel bei der Arbeit und für eine nachhaltige Nutzung der freien Zeit eingebettet sein muss.
Quellen: www.umweltbundesamt.de/publikationen/arbeitszeitverkuerzung-gut-fuers-klima; www.theguardian.com/environment/2021/may/27.