Die Ernährungswende erfordert eine klimafreundliche Lebensmittelproduktion
von Tina Ress*
Global denken – lokal handeln hieß mal eine Parole der Grünen. Auch eine alternative Agrarpolitik muss unten anfangen und kann durch entsprechende Kommunalpolitik wirksam unterstützt werden. Nachstehend zeigen wir auf, was an regionalen Ansätzen, Angeboten und Projektideen heute schon möglich ist.
Klimakrise und wachsende Weltbevölkerung machen eine Ernährungswende unumgänglich. Nicht nur auf globaler Ebene. Sie sollte schon in den kleinsten lokalen Einheiten beginnen – den Kommunen und Landkreisen. Dort, wo es sie gibt, kritisieren viele Klimaräte, dass die Lokalpolitik ihre Gestaltungsmöglichkeiten in Richtung Ernährungswende nicht nutzen würde. Es mangelt nicht an Tatendrang oder an Ideen, das Hindernis sind die Behäbigkeit und manchmal auch der Unwille der kommunalen Politik, solche Möglichkeiten zu beschließen und umzusetzen.
Trotz der übergeordneten Bundes- und EU-Ebene können Kommunen und Landkreise viel gestalten. Zu nennen sind hier vor allem regionale Umweltpolitik und Wirtschaftspolitik, Stadtentwicklung und Flächennutzungsplanung sowie die Planung und Pflege von Kulturlandschaften, Informations- und Öffentlichkeitsarbeit.
Kommunen besitzen häufig selbst größere landwirtschaftliche Flächen und Betriebe. Sie können sie ökologisch sinnvoll und klimafreundlich bewirtschaften und so zur Naherholung, zur regionalen Wertschöpfung, zum Gewässerschutz, zum Klimaschutz sowie zum Erhalt der Biodiversität beitragen. Dadurch kann auch ein besseres lokales und regionales Angebot auf Wochenmärkten verkauft werden – von Nahrungsmitteln, die auf diesen Flächen geerntet wurden. Auch lokal konzentriert sich derzeit die landwirtschaftliche Produktion und Verteilung der Nahrungsmittel auf wenige Großkonzerne und konventionelle Betriebe. Eine lokale und regionale Stärkung von kleineren ökologischen Anbaubetrieben würde dieser Konzentration entgegenwirken und eine regionale ökologische Direktvermarktung fördern.
Angelpunkt: die richtige Ernährung
Hier schließt sich eine weitere Handlungsmöglichkeit an: Kommunale Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten und Krankenhäuser können beim Einkauf für ihre Großküchen auf regionale, ökologische und saisonale Produkte setzen. Dadurch ist es möglich, regionale Lebensmittelproduktion zu stärken und ökologisch wirtschaftende Betriebe direkt einzubinden. Gerade Schulen und Krankenhäuser sollten eine möglichst ökologische und ausgewogene, fleisch- und milchproduktearme Ernährung anbieten, da hier der gesundheitliche Aspekt mit der Nahrungsmittelversorgung verbunden werden kann.
Teil der kommunalen Gesundheitsvorsorge ist die Bildung durch Öffentlichkeitsarbeit, Unterstützung von Pilotprojekten und Hilfestellung bei der Koordination von Angeboten. Die kommunalen Einrichtungen sollten entsprechende Bildungsprogramme auflegen und optimal über Fragen von Ernährung und Klimaschutz informieren.
Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Aspekt kann ebenfalls auf kommunaler Ebene direkt angegangen werden, mit unmittelbaren sozioökonomischen Auswirkungen: Mit Nahrungsmitteln unterversorgte Kindern und Jugendliche von Eltern, die meist im Niedriglohnsektor arbeiten, können in Schul- und Kindergärten eine wertvolle ökologische Ernährung erhalten.
Fairpachten
Streuobstwiesen und Streuobstbestände gehören deutschlandweit zu den stark gefährdeten Biodiversitätsarealen. Kommunen können die biologische Vielfalt durch eine fachgerechte Baumpflege und Wiesennutzung fördern, Altbäume mit Unterschlupf für Insekten erhalten und Neupflanzungen durchführen. Auch das Angebot von Streuobstpatenschaften oder eine Unterstützung bei der Vermarktung der Produkte von Streuobstwiesen sind kommunale Möglichkeiten, diesen vielfältigen Lebensraum zu erhalten.
Nicht zuletzt können Kommunen über Pachtverträge an Dritte zur ökologischen Landwirtschaft beitragen. Die Pachtverträge können bestimmte Vorgaben enthalten, wie der Boden unter ökologischen und biodiversitätsschützenden Bedingungen zu bewirtschaften ist. Sie können solche Verträge auch nur mit solchen Pächtern schließen, die einen Beitrag zum kommunalen Umwelt- und Klimaschutz leisten wollen. Das Projekt Fairpachten, das 2018 von der NABU-Stiftung Nationales Naturerbe ins Leben gerufen wurde, unterstützt solche Vorhaben durch fachliche Beratung.
All diese Möglichkeiten beziehen sich direkt auf die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen von 2015. Sie sollen vor allem im Rahmen nationaler, also auch regionaler und lokaler Maßnahmen umgesetzt werden. Hierunter fallen mehrere der genannten Ziele, die im Rahmen einer kommunalen ökologischen Landwirtschaft angegangen werden sollten: die Beendigung von Armut und Hunger, gesunde Ernährung und Ernährungssicherheit, nachhaltige Landwirtschaft und Biodiversitätserhaltung, ebenso nachhaltige Produktion und Konsum. Die kommunale Umsetzung einer ökologischen Agrar- und Ernährungswende hat hier also auch einen globalen Bezugspunkt und leistet einen weiteren Beitrag zum Klimaschutz.
*Die Autorin engagiert sich im Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie.
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