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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2021

Konsum und Eigenanbau legalisieren
von Niema Movassat

SPD, Grüne und FDP werden wohl die nächsten Regierungsparteien sein. Beim Thema Cannabis sind sie sich alle drei einig, dass die Verbotspolitik gescheitert ist. Während Gegner einer Legalisierung alte Märchen aus der Mottenkiste kramen, wittern Geschäftemacher einen lukrativen Markt.

Weltweit gibt es einen Trend, die Cannabis-Verbotspolitik zu beenden. Zuletzt haben mehrere US-Bundesstaaten Cannabis legalisiert, Kanada hat Cannabis 2018 legalisiert. Das Märchen, die Konsumzahlen bei Jugendlichen würden durch eine Legalisierung steigen, konnten hierdurch widerlegt werden. Deutschland jedoch hält bis dato an der Verbotspolitik fest. Die Folgen sind fatal: drei bis vier Millionen Menschen hierzulande, die Cannabis konsumieren, werden kriminalisiert und sind Streckmitteln bzw. den Verunreinigungen auf dem Schwarzmarkt ausgesetzt.
Die Verbotslobby ist mächtig. Zu ihr gehören u.a. die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG). Sie behaupten, Cannabis sei eine Einstiegsdroge für härtere Drogen wie Heroin. Das wurde schon in den 80er Jahren in der Kleiber-Studie im Auftrag der Bundesregierung eindrucksvoll widerlegt. Natürlich kann es sein, dass Menschen, die Heroin konsumieren, zuvor Cannabis konsumierten. Aber den Gegenschluss, Cannabis führe zu Heroinkonsum, ist in etwa so logisch, wie zu behaupten, jede Erkältung führe zu einer Lungenentzündung.
Fakt ist: Über 90 Prozent der Cannabiskonsument:innen weisen einen gänzlich unproblematischen Konsum auf. Die einen trinken ein Feierabendbier, die anderen rauchen einen Feierabendjoint. Beides wirft keine gesellschaftlichen oder grundlegenden gesundheitlichen Probleme auf.
Wer sich heute darüber beschwert, dass man doch gar nicht wisse, was auf dem Schwarzmarkt im Cannabis drin sei, der argumentiert de facto für die Legalisierung. Denn ein regulierter Markt bedeutet auch, dass der Staat die Vorgaben macht. Wie beim Reinheitsgebot für Bier gibt es dann auch Qualitätsstandards für Freizeitcannabis. Dann wüssten Konsumierende endlich, welchen THC-Gehalt und welche Inhaltsstoffe sie konsumieren.
Eine Cannabis-Legalisierung hat einen gewichtigen Nebeneffekt: Polizei und Justiz werden massiv entlastet. Die Verfolgung von Cannabisdelikten verschlingt sinnlos Millionenbeträge, die sinnvoller angelegt wären im Bereich Prävention, Aufklärung und Suchthilfe. Bisher sind bei etwa 80 Prozent der sogenannten Rauschgiftdelikte Menschen betroffen, die Drogen lediglich besitzen, um sie selbst zu konsumieren. Im Schnitt wird alle zwei Minuten jemand wegen eines sogenannten konsumnahen Delikts strafrechtlich verfolgt. Damit muss Schluss sein.
Während Die LINKE ähnlich argumentiert wie FDP und Grüne, gibt es bei der Frage der Umsetzung vor allem zur FDP große Unterschiede. Diese will einen großen Cannabismarkt, der am Ende wohl von Großkonzernen beherrscht wird, die maximale Profite machen wollen. Die LINKE will vorwiegend Cannabis Social Clubs. Hierbei gründen Menschen gemeinsam einen Club, in dem Cannabis angebaut und konsumiert wird. Selbstanbau für den Eigenkonsum muss erlaubt werden. Daneben wird es Geschäfte brauchen, hierbei müssen die Lizenzen aber so vergeben werden, dass Großunternehmen außen vor bleiben. So wenig Kapitalismus wie nötig – so viel Freiheit für Konsument:innen wie möglich – dies muss die Devise für die Legalisierung sein.

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