Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2021

Arme Menschen auf dem Abstellgleis
von Lorenz Küppers

Seit geraumer Zeit fordern Sozialverbände eine monatliche Zahlung von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) über 600 Euro. Das erachten sie als menschenwürdiges Existenzminimum. Für das Jahr 2022 ist eine Erhöhung von 446 auf 449 Euro geplant. Das wirkt im Angesicht der Inflation und der steigenden Lebenshaltungskosten wie ein schlechter Witz.

Gerade mal 3 Euro mehr soll es ab Januar des kommenden Jahres pro Monat geben. Umgerechnet ist das nicht einmal ein Prozent. Allein die Inflation liegt derzeit bei knapp 3,5 Prozent. Diese «Erhöhung» ist nicht nur lächerlich, sie ist einem, vom Paritätischen Wohlfahrtsverband beauftragten, Gutachten nach sogar verfassungswidrig.
Ein Systemwechsel ist längst überfällig. Als solcher wird nun das Bürgergeld dargestellt. Hierbei handelt es sich jedoch um nicht viel mehr als einen Etikettenschwindel. Die schwammig formulierten, vermeintlich positiven Neuerungen täuschen nicht über die Beibehaltung der bisherigen Linie hinweg. An den Sanktionen wird allem Anschein nach festgehalten, konkrete Informationen dazu, was der Wechsel zum Bürgergeld in Zahlen bedeutet, liegen nicht vor. Zwar sollen Leistungen zukünftig digital und unkomplizierter zugänglich sein, aber an der Tatsache, dass man von Hartz IV nicht leben kann, ändert sich nichts. Auch die angekündigte Verbesserung der Zuverdienstmöglichkeiten bleibt äußerst unpräzise.
Wann das Bürgergeld kommen wird, steht in den Sternen. Die Grünen haben auf ihrem Parteitag nochmal eine monatliche Erhöhung des Arbeitslosengelds II von 50 Euro zu einer Koalitionsbedingung erklärt, doch diesbezüglich scheint sich nicht wirklich eine Änderung abzuzeichnen. Ein Datum für diese Erhöhung gibt es noch nicht, und so werden Hartz-IV-Beziehende auf den St.Nimmerleinstag vertröstet. Die SPD zeigt sich in dieser Angelegenheit ebenfalls als höchst ungenau. Die Vorsitzende Saskia Esken fordert ein «auskömmliches Bürgergeld», welches sich an den Lebenshaltungskosten orientieren soll, aber auch hier gibt es weder konkrete Berechnungen noch einen absehbaren Zeitraum.
Alles in allem ist der geplante Wechsel zum Bürgergeld nicht viel mehr als die Umbenennung eines versagenden Systems, die eher dazu dienen soll, von der wirklichen Problematik abzulenken.

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1 Kommentar
  • 28.11.2021 um 07:40 Uhr, Anastasia sagt:

    Wer zu kranke Menschen bestraft,die von mehreren Unfällen nicht mehr können,hat sein Politik nicht verdient,weil diese Personenkreis keine dobelte Bestrafung braucht


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