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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2021

Initiative Klimawende verhindert Bürgerbegehren
von Gerhard Klas

Einige Kölner:innen blickten am Tag der Bundestagswahl wehmütig nach Berlin, denn nicht nur dort hätte es zeitgleich einen Bürgerentscheid geben sollen: In Köln wollte die Initiative Klimawende den regionalen Energieversorger Rheinenergie AG zum Umstieg auf 100 prozentige Stromversorgung aus erneuerbaren Quellen bis 2030 verpflichten.

Das tut auch Not, denn die Rheinenergie AG ist eine wahre Dreckschleuder: Mit ihren vier Heizkraftwerken in Köln verursacht der mehrheitlich städtische Konzern ein Viertel der CO2-Emissionen der Millionenstadt. Die notwendigen 30000 Unterschriften hatte die Initiative schon zusammen, entschied dann aber, das Bürgerbegehren nicht durchzuführen. Was war passiert?
Die Kölner Grünen, allen voran der Umweltdezernent, hatten ein nichtöffentliches Mediationsverfahren zwischen «Klimawende» und Rheinenergie angeregt, an dem Konzernvertreter und eine Handvoll Aktivist:innen für die Initiative teilnahmen. Anstelle des Bürgerbegehrens soll nun ein Ratsbeschluss erwirkt werden, der die Dekarbonisierung der Rheinenergie auf 2035 datiert – und das auch noch unter Finanzierungsvorbehalt, der in der Vereinbarung «(energie-)wirtschaftliche Rahmenbedingungen» heißt. Das Mehrheitsbündnis im Rat, bestehend aus Grünen, CDU und Volt, hat seine Zustimmung für die 25seitige Beschlussvorlage signalisiert, ebenso SPD und FDP.
Die Stadt und die Teilnehmenden an den Verhandlungen feiern das als Erfolg, sogar als Modell für andere Städte und Kommunen. Nicht wenige Aktivist:innen der Klimawende aber, die viele Tage mit dem Sammeln der Unterschriften verbracht haben, sind maßlos enttäuscht. Sie fühlen sich vor vollendete Tatsachen gestellt. Für sie ist die schwammige Vereinbarung nicht mehr als ein Feigenblatt, mit dem sich die Stadt Köln und die Rheinenergie AG künftig auf die Klimabewegung berufen können. Und eine verpasste Chance, den Konzern als Umweltsünder an den öffentlichen Pranger zu stellen.
Für die Klimagerechtigkeitsbewegung sollte das ein mahnendes Beispiel sein. Die Grünen hüten sich davor, Energieversorgern wirkliche Zugeständnisse abzuringen. Sie nutzen ihren Ruf als Umweltpartei, um Widerstände zu befrieden und faule Kompromisse auszuhandeln. Das gilt auch für die Partei Volt, die vor allem Stimmen von Jungwähler:innen erhielt.
Attac Köln und Scientists for Future Köln kritisieren die Beschlussvorlage und ihr Zustandekommen. Für Die LINKE, deren Mitglieder sich ebenfalls an der Unterschriftensammlung beteiligt hatten, ist das Bürgerbegehren noch längst nicht beerdigt. Sie wollen darüber zur Landtagswahl im kommenden Jahr abstimmen lassen. Alleine werden sie das kaum durchsetzen können. Zusammen mit der Klimagerechtigkeitsbewegung vielleicht schon.

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