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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2021

Militär, Rüstung und Krieg zerstören das Klima
von Hanno Raußendorf

Fünf Tage vor dem Beginn der UN-Klimakonferenz (31.10.–12.11.) haben Klima- und Friedensaktivist:innen gefordert, endlich auch die militärischen CO2-Emissionen in die Vereinbarungen zum Schutz des Klimas einbeziehen – weltweit haben 25000 Gruppen und Einzelpersonen eine entsprechende Petition im Internet unterschrieben.

Bislang sind militärische Treibhausgasemissionen von den Klimaverträgen ausgenommen. 1997 wurden sie auf Druck der USA in letzter Minute aus dem Kyoto-Abkommen gestrichen. Im Abkommen von Paris fanden sie 2015 keine Berücksichtigung. Die Verringerung des militärischen CO2-Ausstoßes liegt allein in der Verantwortung der Staaten. Ihr spezifischer Umfang muss weder dokumentiert noch gemeldet werden. Militärische Klimaschäden tauchen in den jährlichen Berichten der Länder an die Vereinten Nationen deshalb nur sehr lückenhaft auf – insbesondere in bezug auf Auslandseinsätze ihrer Truppen. Der genaue Beitrag des Militärs zur Klimakatastrophe kann bislang nur geschätzt werden.
Die Petition fordert deshalb, «strenge Grenzwerte für Treibhausgasemissionen festzulegen, die keine Ausnahmen für den Militarismus beinhalten, transparente Berichterstattungspflichten und eine unabhängige Überprüfung vorsehen und sich nicht auf Systeme des ‹Ausgleichs› von Emissionen stützen. Die Treibhausgasemissionen von Militärstützpunkten eines Landes in Übersee müssen vollständig gemeldet und dem betreffenden Land in Rechnung gestellt werden, nicht dem Land, in dem sich der Stützpunkt befindet.»
Wissenschaftler:innen der Universitäten von Lancaster und Durham kamen vor zwei Jahren anhand des Treibstoffeinkaufs des Militärs zum Schluss, dass die US-Streitkräfte damit Platz 47 im Ländervergleich der größten CO2-Emittenten belegen würden – noch vor Portugal und Peru. Rund 269000 Barrel Öl kauften die USA 2017 täglich für ihr Militär ein und stießen durch deren Verbrennung täglich über 25 Millionen Tonnen CO2 aus. Grund für diesen enormen Treibstoffverbrauch sind die andauernden Kriege des Landes und die Versorgung von 800 Militärbasen weltweit.

Klimakatastrophen lösen Kriege aus
Ein kompletter CO2-Fuß- oder besser -Stiefelabdruck ist dies freilich nicht. Der müsste die Treibhausgasemissionen der gesamten militärischen Ausrüstung über deren vollen Lebenszyklus erfassen, von der Produktion bis zur Entsorgung. Und er müsste natürlich auch die Kriegsschäden mit einrechnen: Ist der militärische Sektor schon in Friedenszeiten ein Klimakiller ersten Ranges, potenzieren sich im Krieg die Schäden – auch für das Klima. Neun Monate lang brannten die kuwaitischen Ölfelder im Zweiten Golfkrieg 1991. Kriegsschäden an der Infrastruktur der betroffenen Länder haben ebenfalls gewaltige Auswirkungen auf das Klima. Ihre notwendige Wiederherstellung verursacht zwangsläufig weitere Emissionen.
Allein die Kosten für den Wiederaufbau nach einem möglichen Ende des Syrienkriegs werden, je nach Quelle, auf 250–400 Milliarden oder sogar auf eine Billion US-Dollar geschätzt. Diese Zahlen geben einen, wenn auch nur sehr ungefähren Eindruck vom Ausmaß des Schadens, dessen Auswirkungen auf das Klima nirgendwo erfasst werden. Dabei ist der Syrienkonflikt selbst bereits der erste Klimakrieg – verschiedene Quellen bezeichnen eine fünf- bis sechsjährige Dürre als Auslöser des Krieges.
Damit ist er Vorbote einer Entwicklung, die in den kommenden Jahrzehnten weite Teile der Welt in eine Spirale aus Elend und Zerstörung stürzen könnte. Ausbleibende Niederschläge und steigende Temperaturen hatten in Syrien zu Wüstenwachstum und zur Vernichtung von Ackerland geführt. Drastisch verminderte Ernteerträge und stark ansteigende Lebensmittelpreise waren ein entscheidender Grund für die Unruhen, die 2011 in einen internationalen militärischen Konflikt mündeten.

Saubere Panzer?
Der entscheidende Zusammenhang zwischen Militär und Klimakatastrophe liegt allerdings nicht im ökologischen Umbau bestehender Armeen. Dient doch die militärische Hochrüstung der Länder des reichen Nordens dieser Welt dazu, die kapitalistische Produktionsweise und die neoliberale Globalisierung weltweit zu garantieren, Absatzmärkte und den Zugriff auf Rohstoffe überall offen zu halten. Die damit einhergehenden gesellschaftlichen Verwerfungen und der daraus resultierender Widerstand werden mit der Androhung und teilweise auch dem Einsatz von militärischer Gewalt beantwortet.
So wird ein verschwenderisches und klimazerstörendes System aufrechterhalten, das selbst die entscheidende Ursache für die Klimakatastrophe ist. Die Klimakatastrophe ist deshalb nur durch eine Umgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu bewältigen.
Überdies ist das Problem, wie man schöner ökologisch tötet, in Kreisen der Rüstungsindustrie längst angekommen. Ein norddeutsches Unternehmen hat bereits den Prototyp des «ersten Elektropanzers der Welt» vorgestellt, und auch der Düsseldorfer Branchenprimus Rheinmetall will in den kommenden Jahren seinen ersten Öko-Panzer bauen.

Hanno Raußendorf ist klimapolitischer Sprecher im Landesvorstand von Die LINKE in NRW.
Die Petition findet sich auf: https://actionnetwork.org/petitions/stop-excluding-military-pollution-from-­climate-agreements-2/.

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