Jörg Köpke: Unterwandert. Wie Rechte den Rechtsstaat okkupieren. Berlin: Das Neue Berlin, 2021. 187 S., 15 Euro
von re
Bei manchen Büchern geht einem beim Lesen «das Messer in der Tasche auf». In Unterwandert schildert der Journalist Jörg Köpke die fast unglaubliche Geschichte des Eindringens von Rechtsextremisten in Bundeswehr und Polizei, in Bürokratie und Geheimdienste.
Vor allem an Beispielen aus Mecklenburg-Vorpommern wird klar, dass nicht nur die Nazis eine braune Folge in den bundesdeutschen Behörden hatten, sondern auch alte Stasi-Mitarbeiter und neue Rechte sich nach der Wende in Unterwanderung üben. Waffenverstecke, Duldung rechtsextremer Äußerungen und Handlungen, Abwiegeln oder Stillschweigen bei den Innenbehörden: Köpke schildert detailliert und aufgrund von Aussagen eines SPD-Abgeordneten und anderer Whistleblower, wie der «Rechtsstaat okkupiert» wird.
Einige dort aufgezeigte Fälle sind in der Öffentlichkeit bekannt geworden, so der Lkw-Mord auf dem Breitscheidplatz, der in der Presse als «Fall Amri» behandelt wurde. Hier steht der Verdacht im Raum, dass Amri gar nicht am Steuer des Lkw saß. Oder der Fall des Oberleutnants Franco A., der sich als Flüchtling ausgab und Anschläge plante.
Die planmäßige Nichtbefassung, Verschleierung, Aktenvernichtung im Mordfall NSU kommt ebenso zur Sprache wie die geheimnisvollen Verfassungsschützenden, die nichts zur Aufklärung taten. Netzwerke in Bundeswehr, Geheimdiensten und Polizei werden genannt, die Zusammenhänge zur militanten Naziszene erläutert.
Als Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Caffier (CDU) zurücktreten musste, kamen Dinge ans Licht, die dazu führten, dass der Rechtsextremismus inzwischen auch offiziell als die größere Gefahr bezeichnet werden muss. Waffen und Rechtsextreme, Anschlagslisten für den «Tag X» sind eine deutliche Sprache. Ob das aber in den betroffenen Behörden und Einheiten Konsequenzen hat, darf bezweifelt werden.
Als das Buch angekündigt wurde, war es wochenlang in Schwerin nicht zu erhalten. Der Verdacht, dass es zurückgehalten und minutiös auf eventuell zu verklagende Punkte untersucht wurde, wäre angesichts der dargelegten Fakten allzu verständlich.
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen
Spenden
Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF
Schnupperausgabe
Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.