Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2021

Aus Raider wird Twix
von Karin Gerlich

Der Schokoriegel Twix in seiner goldenen Folie dürfte den meisten bekannt sein. Dennoch wissen nicht alle, dass sein ursprünglicher Name Raider lautete. Ein Beweggrund für den Namenswechsel lag im Marketing, in der Zusammensetzung änderte sich nichts.

Der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder und sein Volkswagen-Freund Peter Hartz wendeten diesen Trick auf die Regelungen zur Langzeitarbeitslosigkeit. Gerhard Schröder verkündete in seiner Rede zur Agenda 2010 am 14.März 2003 eine «Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe». Das war die zentrale Legitimationsformel für Hartz IV. Tatsächlich wurde am 1.Januar 2005 gar nichts zusammengelegt. An die Stelle der Arbeitslosenhilfe als halbwegs sichernde Lohnersatzleistung für Erwerbslose trat nun zur Freude der Unternehmer das Arbeitslosengeld II unter dem Namen Hartz IV. Dass sich die Kinderarmut seit 2004 fast verdoppelt hat, ist im wesentlichen auf diese Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und den damit verbundenen Bruch mit dem Prinzip der Lebensstandardsicherung im bundesrepublikanischen Sozialstaat zurückzuführen.
Der damalige Staatssekretär Olaf Scholz war an dem Gesetz und seiner Formulierung maßgeblich beteiligt, hat das jahrelang auch als richtig verteidigt und musste nun – nachdem die SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken leichtsinnigerweise auf dem Parteitag 2019 den Delegierten und den staunenden Fernsehzuschauern erklärte: «Wir lassen Hartz IV hinter uns», etwas Neues erfinden, ohne das Alte zu lassen.
Im Wahlkampf vermittelten SPD, FDP und Grüne den Eindruck, mit der geplanten Einführung des Bürgergelds sei nun endgültig die Abschaffung von Hartz IV verbunden. Allerdings griffen sie auch hier wieder in die Trickkiste des Raider-Marketing und aus Hartz IV wurde das schöne neue Wort «Bürgergeld» kreiert. Geändert hat sich nix! Am Konzept des «aktivierenden Sozialstaats» wird weiter festgehalten und damit bleiben auch die Sanktionen, die Kern des «aktivierenden Sozialstaats» sind.
Das einzig Neue: Wenn das Bürgergeld in Kraft tritt, wäre das ein staatlicher Kombilohn, der es Unternehmen erleichtern würde, frühere Hartz-IV-Beziehende für wenig Geld anzuheuern. Dabei ist die BRD heute schon der größte Niedriglohnsektor der EU.
Nur deshalb wollen SPD, FDP und Grüne die Zuverdienstmöglichkeiten verbessern, damit ist auch die Regelsatzerhöhung 2022 um mickrige 3 Euro pro Monat zu erklären.
Im Klartext: Die Ärmsten werden wieder einmal durch Wortgeklingel verschaukelt. Es gilt der Satz: Hartz IV wird umbenannt in Bürgergeld oder: Aus Raider wurde Twix – sonst ändert sich leider nix.

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