Die Automobilgewerkschaft meldet sich mit eigenen Vorstellungen zu Wort
von Christiaan Boissevain, München
Der derzeitige «ökologische» Umbau der Wirtschaft ruft auch die IG Metall auf den Plan. Sie will, dass dieser sozial gerecht gestaltet wird. Dafür hat sie am 29.Oktober einen bundesweiten Aktionstag durchgeführt. Der Testfall für ihre Vorstellungen wird die Schließung des Bosch-Werks in München.
Die IG Metall München hatte zum 29.10. nur mit «gebremsten Schaum» mobilisiert. Zum besten Zeitpunkt nahmen etwa 350 bis 400 Kolleg:innen teil, vorwiegend aus dem Funktionärskörper der IGM, Betriebsräte und Vertrauensleute. An vielen anderen Orten sah es nicht besser aus. Ein «mächtiger» Auftakt gegen die Abwälzung der Krise auf den Rücken der Arbeiterklasse war dies nicht.
Inhaltlich war es nicht ganz uninteressant: Die seit November 2020 amtierende Erste Bevollmächtigte der IGM München, Sybille Wankel, schlug einen anderen Ton an als ihr Vorgänger Horst Lischka. Sie drohte gar sinngemäß: «Heute sind wir noch wenige, wenn aber die Unternehmer:innen und die Regierung die Mobilitätswende [zur Elektro-Mobilität] nicht sozial abfedern, wird es anders aussehen.» Dafür führte sie nochmal die Forderung der IGM nach 500 Milliarden Euro öffentliche Investitionen ins Feld, «damit Deutschland den grünen Wandel als Industriestandort überlebt». Obwohl Mitglied der Linkspartei, setzte Wankel keine anderen Akzente als die IGM offiziell.
Auf der Kundgebung sprach auch der stellvertretende Vorsitzende des Bunds Naturschutz Bayern – ein Novum für die IGM München; er trat für eine wesentlich intensivere Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Klimabewegung ein.
Auch der Betriebsratsvorsitzende von Bosch, Berg am Laim, hielt eine Rede; das Werk soll geschlossen werden. Dennoch hielt er sich mehr oder weniger im Rahmen der IGM-üblichen Forderung nach Weiterbeschäftigung der Belegschaft mit Produkten für die Elektromobilität, drohte der Geschäftsleitung aber, sollte diese nicht auf die vom Betriebsrat und der IGM geforderte neue Produktpalette eingehen, werde die Belegschaft sich notfalls, beim Versuch, die Maschinen aus dem Betrieb abzutransportieren, an diesen «anketten».
Immerhin hatten Fridays for Future München für den gleichen Tag die IGM-Jugend zu ihrer Demo eingeladen, einige von deren Vertreter:innen waren anwesend und hielten auch eine Rede. Diese blieb zwar recht allgemein, kam aber bei FfF gut an; umgekehrt war auch der Redner der IGM-Jugend von der Demonstration angetan. Dieser Kontakt ist eine Chance, neue Ideen einzubringen, und muss weiterentwickelt werden.
Am 19.November vor Bosch
Vor dem Bosch-Werk in München, das geschlossen werden soll, organisierte die IGM am 19.November einen Extra-Aktionstag.
An diesem nahmen außer den Kolleg:innen des Bosch-Standorts München Berg am Laim rund 400 Kolleg:innen anderer Bosch-Standorte teil: Stuttgart-Feuerbach, Vaihingen, Nürnberg, Immenstadt, Bamberg und auch Kolleg:innen von Daimler Stuttgart. Aber auch Delegationen von Münchner Betrieben wie MAN, BMW, Kraus Maffei waren anwesend. Darüber hinaus waren etliche linke Organisationen vertreten. Schon diese bunte Mischung war für die IGM München bemerkenswert.
Die meisten Redner:innen bezogen sich positiv auf die Ankündigung des Betriebsratsvorsitzenden von Bosch, sich im Notfall an die Maschinen anzuketten. So ein verbales Bekenntnis zu einer recht radikalen Aktionsform war von der IGM München bisher nicht zu erwarten.
Sybille Wankel hielt es in ihrem Beitrag für möglich, den Standort Hilfe eines Sozialtarifvertrags zu erhalten. Nur zwei Redner äußerten sich kritisch dazu: Der IGM-Betriebsbetreuer für Bosch München bezeichnete den Kampf für einen Sozialtarifvertrag als völlig unzureichend, er bedeute von vornherein die Aufgabe des Kampfes um alle Arbeitsplätze. Eine solche Aussage, die der Linie der IGM öffentlich widersprach, war bisher nicht denkbar.
Das heißt deshalb noch nicht, dass die IGM München damit auch auf andere Kampfmittel als einen Sozialtarifvertrag setzt. Die nächsten Kampfschritte der Belegschaft sind angesichts der absoluten Verweigerungshaltung des Bosch-Vorstands noch völlig offen.
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