Lieder und Texte für den Arbeitskampf
von Gerhard Klas
Bernd Köhler: Halt-LOS. Der zweite Anlauf. Texte, Lieder und Geschichten 1990–2020. Llux Agentur und Verlag 2021. 272 S., 18 Euro + 2 Euro Versand,
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Politische Liedermacher sind in Deutschland kein Phänomen des letzten Jahrhunderts, als fast alle Barden – so auch Bernd Köhler – Mitglieder der DKP und männlich waren. Einige haben erst im 21.Jahrhundert richtig losgelegt, nach den bleiernen 90er Jahren, in denen der Neoliberalismus seinen globalen Siegeszug zu vollenden schien.
Dass es nicht dazu kam, dafür steht auch das Werk des Liedermachers Bernd Köhler, der sein musikalisches Wirken in den 60er Jahren in der Region Rhein-Neckar begann und 1989 wieder aus der DKP austrat. Zusammen mit anderen Künstlern vertonte er in den 90er Jahren Texte von Paul Celan, Bert Brecht und Karl Kraus, schrieb Bühnenstücke und schauspielerte, beschäftigte sich mit der Verzweiflung an den Verhältnissen, mit Wahnsinn und genialer Kreativität und trat auf Antikriegsprotesten auf. Eines seiner Vorbilder ist Wladimir Majakowski, linker Poet und Agitator der russischen Revolution.
Sein «zweiter Anlauf», wie Bernd Köhler in seinem Buch Halt-LOS schreibt, kam mit dem Arbeitskampf bei Alstom in Mannheim, einem börsennotierten Transport- und Energiekonzern. Damals hielt noch der französische Staat die Mehrheitsanteile, wollte sie aber verkaufen und dafür die Belegschaft «rationalisieren», sprich mehrere hundert Beschäftigte entlassen. Viele Kolleg:innen wehrten sich dagegen und kamen auf die Idee, dass ihnen ein Lied zu ihrem Kampf fehlte. Bei ihrer Suche stießen sie auf Bernd Köhler.
Es blieb nicht bei einem Lied, das er für die Kolleg:innen dichtete – es entstand der Alstom-Chor, an dem sich über ein Dutzend der Beschäftigten beteiligten und der den Widerstand gegen die Massenentlassungen ein knappes Jahr lang mit Auftritten begleitete und anschließend auch für streikende Kolleg:innen in anderen Betrieben sang.
Nach der ersten Kontaktaufnahme, so Köhler, sei er noch zögerlich gewesen. Aber der Besuch im Betriebsratszimmer hatte ihn dann überzeugt: «Begrüßung im Besprechungszimmer des Betriebsrats, Athmo wie in der früheren DDR, mit Stückchen, Kaffee und Getränketablett … mit sinnigen Plakatsprüchen an den Wänden, roten Fahnen, offenen Gesichtern und bizarren Geschichten.» Es war, als habe man «eine verloren geglaubte Liebe wiedergefunden», schreibt der Liedermacher, «die meinen es ehrlich, hier bist du zu Hause, und erstaunt, dass das doch noch existiert, allen Niederlagen, Kompromisslereien und Verzagtheiten zum Trotz».
Anschließend veröffentlicht er mehrere Alben, u.a. zusammen mit Blandine Bonjour, wird zweimal mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. Sein reich illustriertes Buch mit zahlreichen Notationen und Liedtexten ist der zweite Band über sein Lebenswerk, liebevoll gestaltet und durch und durch politisch. Die öffentlichen Auftritte, bei denen er sein erstes Buch Nachrichten aus dem Untergrund. Lieder und Texte 1967–1989 präsentieren wollte, fielen bis auf die Auftaktveranstaltung im Ludwigshafener Kulturzentrum «dasHaus» am 7.März 2020 dem Corona-Lockdown zum Opfer. Sein neues Buch stellte er zusammen mit vielen Wegbegleiter:innen am 12.Oktober im Mannheimer Capitol vor. Es wird hoffentlich noch andernorts Orte und Termine finden.
«So, wie es jetzt ist – wird es nie, nie wieder sein» (aus dem Lied «Spürst du», 2015).
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