Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 12/2021

An den Rand notiert
von Rolf Euler

Angesichts des offensichtlichen Versagens der weltweiten Regierungen vor der Klimakrise und angesichts der fast nur in Protesten auf der Straße und im Wald sich manifestierenden Gegenbewegungen wird es schwierig, hoffnungsfördernde Worte für die SoZ zu finden.

Der Satz, jede und jeder muss selbst die Änderung sein, die sie in der Welt sehen wollen, wird Gandhi zugeschrieben. Aber wer in unseren Gesellschaften nur auf die individuelle Tat wartet, greift politisch zu kurz. Selbstverständlich kann jede und jeder was ändern – im Konsumverhalten, im Ressourcenverbrauch, im Abfallvermeiden, im Verkehr. Aber wie werden die Bedingungen geändert, unter denen wir persönlich uns ändern, und grundlegend ändern können?
16 Jahre Kohl, 16 Jahre Merkel, aber auch sieben Jahre Rot-Grün und die große Koalition haben uns gelehrt, dass «von oben» wenig zu erwarten ist.
Wir werden also wieder – oder besser: noch immer – Utopisten sein müssen. Wir werden das Glück auf Erden fordern, den Himmel den Engeln und Spatzen (oder was davon übrig ist…) überlassen und uns tummeln müssen, die Menschen mitzunehmen auf einem Weg in eine erlebbare Zukunft. «Seien wir realistisch, seien wir Utopisten!»
Utopia ist der «Nicht-Ort», aber die Erfahrungen der Linken mit den Real-Orten des vergangenen Sozialismus reichen uns nimmer. Sie haben nur vorübergehend aufgeschienen, und sind doch mit der Parole «Elektrizität und Rätesystem» nur unzureichend und dann scheiternd in die Zukunft gegangen. Unsere Kolleg:innen in den ehemaligen DDR-Landschaften können noch mit dem Gegenbild der AfD ein verzerrtes, aber wirksames Lied davon singen.
Warum kann die «Linke» – nicht nur die Partei – angesichts der sich aufbäumenden Widersprüchen nicht genügend politische Wirksamkeit erreichen? Warum fehlt bei allen guten Forderungen in den politischen Programmen der Parteien und bei aller Aufklärung in den Zeitungen der Funke, der Spiegel, der die Menschen kommunitäre Utopien lehrt? Denn die Verhältnisse sind ja schon vom Kapital «zum Tanzen» gebracht – eine Situation, die Marx der revolutionären Aufklärung zumutete.
Götz Eisenberg schreibt auf Telepolis: «Dass die Ökonomie unser Dasein beherrscht und bestimmt, ist für das kritische Denken kein weltanschauliches Bekenntnis, sondern die Diagnose eines aufzuhebenden Zustands. Das Problem ist, dass aus den aufgezeigten objektiven Widersprüchen kein subjektives Widersprechen mehr resultiert. Das hat auch mit jener Unterernährung der sozialistischen Fantasie zu tun, vor der Bloch die Linke warnte. Mit purer ökonomischer Aufklärung lockt man niemanden hinter dem Ofen hervor. Man macht nicht die Revolution, weil die Akkumulation des Kapitals ins Stocken gerät und der Kapitalismus Krisen produziert, sondern weil man wie ein Mensch leben und glücklich sein will.»
Glück als bloßes menschliches Überleben reicht uns nicht, wir wollen alles!

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