Eine Untersuchung von Christoph Butterwegge
von Angela Klein
Die gespaltene Republik
Armut und soziale Ungleichheit in Deutschland
isw-report Nr.127
November 2021
Das Virus macht keine sozialen Unterschiede. Die Pandemie aber trifft in Deutschland auf eine Situation sozialer Ungleichheit, die fast an die in den USA heranreicht – und verstärkt sie. In seinem Beitrag über «Ungleichheit im ‹Corona-Kapitalismus› der Gegenwart», den er zwischen dem 1.1.20 und dem 4.6.20 erstellt hat, betont Christoph Butterwegge: Wer arm ist, muss eher sterben.
Das Infektionsrisiko hängt maßgeblich von der Arbeits-, Wohn und Lebenssituation ab: Gegenüber erwerbstätigen Versicherten hatten Bezieher:innen von Arbeitslosengeld I ein um 18 Prozent höheres, Bezieher:innen von Arbeitslosengeld II sogar um 84 Prozent höheres Risiko, mit Covid-19 im Krankenhaus zu landen.
Das Virus bildet die Klassengesellschaft nicht einfach ab, es spaltet die Klasse. Seine Hauptopfer sind Obdach- und Wohnungslose, Strafgefangene, Geflüchtete, Werkvertragsarbeiter:innen, Migrant:innen ohne gesicherten Aufenthaltsstatus, Menschen mit Behinderungen, Pflegebedürftige, Suchtkranke, Prostituierte, Erwerbslose, Geringverdienende, Kleinstrentner:innen, Bezieher:innen von Transferleistungen (ALG II, Sozialgeld, Grundsicherung im Alter, Asylbewerberleistungen). Sozial bedingte Vorerkrankungen wie Adipositas (Fettleibigkeit), Asthma, Diabetes oder eine Raucherlunge, katastrophale Arbeitsbedingungen sowie beengte und hygienisch bedenkliche Wohnverhältnisse erhöhen das Risiko für eine Infektion bzw. für einen schweren Krankheitsverlauf.
In der Pandemie haben diese Schichten ihre Einkommensgrundlage vielfach verloren, ihre Einkommen sind gesunken, sie sind überdurchschnittlich von Konkursen oder von Entlassungen betroffen. Ihr Verschuldungsgrad steigt: Die Girokonten der im Niedriglohnsektor Beschäftigten sind überdurchschnittlich ins Minus geraten, dafür müssen hohe Überziehungszinsen gezahlt werden. Aber auch Kommunen haben sich stärker verschuldet: Gewerbesteuereinnahmen sind entfallen, Sozialausgaben gestiegen: «Die öffentliche Armut hat zugenommen.»
Die 1,5 Billionen Euro Coronahilfen haben die soziale Ungleichheit noch verschärft. Direkte Finanzhilfen, Bürgschaften und Kredite kamen nämlich in erster Linie großen Unternehmen zugute, während kleine und mittlere Unternehmen mit einmaligen Zuschüssen unterstützt wurden. Das Hauptziel der Finanzhilfen lag auf der Stabilisierung der Liquidität bzw. der Wiederherstellung der Profitabilität von Unternehmen, nicht auf der Existenzsicherung der Hauptleidtragenden. Einer wie Dieter Schwarz, Eigentümer von Lidl und Kaufland, bereicherte sich in der Corona-Zeit um fast 42 Milliarden Euro; BMW schüttete 2020 1,7 Milliarden Euro Dividende aus.
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