Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2022

Sonderbriefmarken erinnern an die brasilianische Revolutionärin
von Kai Böhne

Großzügige, breite Fußgängerbereiche, vorzugsweise an Ufer- oder Küstensteifen, in denen Touristen ihre Körper im Strom der anderen Flaneure treiben und ihre Sinne und Gedanken schweifen lassen können, werden gemeinhin als Promenaden bezeichnet.

Gelegentlich bekommen sie noch den Zusatz Kurpromenade, äußerst selten werden sie nach Persönlichkeiten benannt. In Genua am Ligurischen Meer ist das anders. Im kleinen Badeort Nervi, im östlichen Teil von Genua, liegt der zwei Kilometer lange Spazierweg «Passeggiata Anita Garibaldi». Er führt von einer Klippe am Jachthafen zum Restaurant Osteria del Duca.

Wer war diese Anita Garibaldi, die einer idyllischen Uferpromenade ihren Namen gab? Sie war die erste Frau des populären italienischen Freiheitskämpfers Giuseppe Garibaldi (1807–1882), eines der zentralen Personen des Risorgimento, der italienischen Einigungsbewegung zwischen den Jahren 1820 und 1870. Am 30.August 1821 wurde sie als Ana Maria de Jesus Ribeiro da Silva in der brasilianischen Stadt Laguna geboren. Ihre Eltern waren portugiesische Einwanderer von den Azoren.
Als überzeugter Republikaner hatte sich Giuseppe Garibaldi 1834 am gescheiterten Aufstand in Piemont gegen die französische Besatzung beteiligt. Italien war in mehrere Fürstentümer zersplittert, große Landesteile befanden sich in den Einflusssphären der Franzosen, Österreicher und des Papstes. Giuseppe Garibaldi gehörte zu einer politischen Bewegung, deren Ziel es war, Italien von den fremden Machthabern zu befreien und zu einer Republik zu vereinen. In Abwesenheit wurde er in Genua zum Tode verurteilt.
1836 gelang ihm die Flucht nach Südamerika. In Brasilien wurde er unmittelbar aktiv und kämpfte während der Farrapen-Revolution in der Provinz Santa Catarina auf der Seite der Aufständischen gegen die Zentralmacht des Kaiserreichs Brasilien.

Aufstand und Flucht
Einen Monat vor ihrem 18.Geburtstag, im Juli 1839, sahen sich Anita, die Sympathien für die revolutionäre Bewegung hegte, und Giuseppe zum ersten Mal in einer Kirche in Anitas Geburtsort. Die gegenseitige Anziehungskraft und Faszination war groß, schnell wurden beide ein Liebespaar. Bereits vier Monate später kämpfte die geschickte Reiterin Anita im Bundesstaat Santa Catarina an der Seite ihres Geliebten. Ein Jahr später bekam sie ihr erstes Kind, drei weitere sollten folgen. Selbst während ihrer Schwangerschaft beteiligte sich Anita an den Gefechten. Sie geriet in Gefangenschaft und ihr gelang die Flucht.
1841 zog das junge Paar nach Montevideo und heiratete dort. Giuseppe arbeitete eine Zeit als Händler und Lehrer, bis dem geübten Strategen im Krieg gegen den argentinischen Diktator Juan Manuel de Rosas ein Flottenkommando übertragen wurde. ­Garibaldi stellte eine kleine Legion aus exilierten Italienern zusammen und beteiligte sich auch später mit seinen Freiwilligen an der Verteidigung Montevideos.
Nachdem Papst Pius IX. 1846, zu Beginn seines Pontifikats, die italienischen Revolutionäre amnestiert hatte, entschlossen sich Giuseppe und Anita, mit ihren Kindern nach Italien überzusiedeln. Eine gewaltige Umstellung für Anita, die in ein Land kam, dessen Sprache sie nicht sprach. Giuseppe beteiligte sich geradewegs an den italienischen Revolutionen der Jahre 1848/49. In der kurzlebigen, am 9.Februar 1849 von Giuseppe Mazzini (1805–1872) ausgerufenen Römischen Republik, die knapp fünf Monate bestand, war er Anführer der Revolutionsarmee. Seine Feldzüge machten ihn zum beliebten Nationalhelden.
Als französische Truppen zugunsten des geflohenen Papstes Pius IX. intervenierten, die Republik niederschlugen und die Herrschaft der römisch-katholischen Kirche wiederherstellten, mussten Giuseppe und die erneut schwangere, an seiner Seite kämpfende Anita fliehen. Ihr Ziel war die Republik Venedig. Nach einer zeitweiligen Zuflucht in San Marino starb die geschwächte, an Malaria ­erkrankte Anita kurz vor ihrem 28.Geburtstag auf der Flucht in der Nähe von Ravenna.

Gedenken
Anitas bewegtes Leben lieferte genügend Stoff für drei Verfilmungen. Einige turbulente Szenen ihres wilden Lebens sind auf einem Denkmal auf dem Hügel Gianicolo in Rom festgehalten. Gezeigt wird die Revolutionärin auf einem galoppierenden Pferd, in der einen Hand hält sie eine Pistole, in der andern ihren erstgeborenen Sohn Domenico.
Anlässlich ihres 200.Geburtstags erinnerten die Postverwaltungen in Uruguay und Brasilien mit einer gemeinsamen Briefmarkenausgabe an die tapfere Frau. Die brasilianische Correios lobt ihre «Fähigkeit, für Ideale zu kämpfen» und nennt sie «ein Symbol der Liebe, Entschlossenheit und Tapferkeit». Bereits am 1.Juni 2021 hatte die Post von San Marino den runden Geburtstag mit einer Sondermarke gewürdigt.

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