Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2022

An den Rand notiert
von Rolf Euler

Am 6.Januar war der 200.Geburtstag von Heinrich Schliemann. Sein bewegtes Leben ist erschlossen, sein «Ruhm» von vor 150 Jahren hat seitdem einige Beulen bekommen. Er gilt als der Entdecker von Troja, als ungelernter Archäologe mit Glück bei der Auffindung vieler antiker Schätze, an denen er sich teilweise persönlich bereicherte.

Aus Armut und Schiffbruch, mit Lerneifer für Sprachen und Findigkeit im Kaufmännischen erringt Schliemann durch Geschäfte mit dem Farbstoff Indigo für blaue Uniformen und Salpeter für Sprengstoffherstellung in Russland ein Vermögen, das er in Amerika während des Goldrauschs durch die Gründung einer Goldbank noch vermehrt.
Mit großer Unrast reist er durch die Welt und bohrt sich in die «klassische Bildung», zu der unweigerlich die Geschichten aus dem alten Griechenland, vor allem die Ilias von Homer und andere Sagen gehören. Er sucht Troja zunächst an verschiedenen Orten in Kleinasien. Nach einigen Jahren dann der Durchbruch: Ein großer Graben fördert viele Reste von Besiedlung, Mauern und Skulpturen zutage. Es heißt, dass Schliemann das eigentliche Troja aus Homers Epos – etwa 1300 v.u.Z. – teilweise unerkannt abgetragen habe, um die darunter liegenden Stadtreste zu erreichen, die viel früher – vor etwa 7000 Jahren – entstanden waren.
Einen Marmorblock mit einem Helios-Kopf verschiebt er heimlich außer Landes. Ein Jahr später – Schliemanns «Troja» und seine Ausgrabungen sind berühmt geworden – findet er einen riesigen Goldschatz, den er ebenfalls nach Griechenland aus der Türkei wegschafft. Nach einem Prozess muss Schliemann 50000 Franc zahlen, weniger als ein Zehntel der geforderten 625000 Franc, und das Gold nicht an die Türkei zurückgeben. Er tritt den Schatz letztlich an das Berliner Völkerkundemuseum ab und wird daraufhin Ehrenbürger von Berlin.
Weitere Ausgrabungen in Griechenland fördern das alte Mykene, Palast und Gold, zutage. Es heißt, er habe die goldene «Totenmaske des Agamemnon» gefunden. Seine Ausgrabungen sind in Griechenland und der Türkei ständig fortgesetzt worden.
Hohn der Geschichte: Das «Gold des Priamos», unberechtigt aus der Türkei entwendet, wird 1945 nach der Besetzung Berlins durch die sowjetische Armee nach Russland geschafft. Eine Rückgabe – an wen? – steht aus. Hier trifft sich der Schliemannsche Raub mit der aktuellen Diskussion um «Raubkunst», also den wertvollen Gegenständen außereuropäischer Völker, die im Zuge der imperialen Besetzung und Ausbeutung der Welt in europäischen Museen gelandet sind. Auch das neu aufgebaute Humboldt-Forum in Berlin, das die Fassade des alten Stadtschlosses unseligen königlichen Angedenkens erhalten hat, steht im Zentrum dieser Debatte, da dort vor allem afrikanische religiöse und künstlerische Skulpturen und Gegenstände ausgestellt werden. Auch in Deutschland ist eine zähe Debatte angelaufen, die Rückgabe der Schätze einzuleiten.
Vergleichbares hieße für Schliemanns Beute eigentlich nur: Zurück in die Türkei an den Ort ihres Fundes. Aber für diese Debatte reicht der Rand nicht aus…

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