Die ehrenamtliche Ebene hat nur noch Beratungsstatus
Gespräch mit Thomas Frischkorn
Thomas Frischkorn ist Vertrauensmann im Telekomkonzern und war bislang in der Fachgruppe IT aktiv. In einem offenen Brief kritisiert er die weitere Machtverschiebung zulasten des Ehrenamts. Das Gespräch führte Violetta Bock.
Welche Funktion hast du?
Ver.di teilt sich derzeit in 13 Fachbereiche und diese Fachbereiche sind nochmal in Fachgruppen unterteilt. Im Fachbereich Telekommunikations- und IT-Beschäftigte (IK/IT) gab es bislang eine eigene Fachgruppe für die IT-Beschäftigten. Darin war ich Nachrücker für den Bundesfachgruppenvorstand, außerdem Mitglied im Landesbezirksvorstand Hessen und stellvertretender Betriebsgruppenvorsitzender in Darmstadt.
Was hat sich jetzt verändert?
Die ganze Zeit gab es eine spezielle Struktur für die IT. Der Fachbereich ist sehr durch die klassischen Bereiche der Telekom geprägt und entsprechend zeigte sich das auch in der gewerkschaftlichen Kultur. Der IT-Bereich ist in der Regel gewerkschaftlich schlechter organisiert. Mit 25 Prozent bei der Telekom IT stechen wir da positiv heraus. Durch unsere spezielle Fachgruppe ist es uns in den letzten Jahren gelungen, auf die Beschäftigten in der IT zuzugehen. Dabei beachten wir die Rolle der indirekten Steuerung, denn kaum eine Branche ist so stark davon geprägt wie die IT. Wenn du seit Jahrzehnten so eine Tradition hast, ticken die Leute einfach anders und haben ein anderes Verhältnis zu ihrer Arbeit.
Jetzt hat man gesagt, wir legen die Fachgruppen Telekom und IT zusammen, weil das von den hauptamtlichen Ressourcen einfacher zu steuern ist. So verlieren wir ein Sprachrohr innerhalb von Ver.di und es besteht die Gefahr, dass man in 0815-Strukturen landet, die unsere spezielle Situation nicht beachten.
Im Rahmen der Umstrukturierung plant Ver.di zusätzlich die Zusammenlegung ganzer Fachbereiche. Wie beurteilst du das?
Diese Zusammenlegung zu vier Fachbereichen hat der Bundesvorstand ohne breite Diskussion in einer Wochenendklausur beschlossen. Entscheidend war für ihn rein organisationspolitisch, dass die Bereiche von ihren Mitgliederzahlen ungefähr gleich groß sind. Das heißt, ich habe da Gremien, die vertreten eine halbe Million Menschen. Diese Vorstände sind aber so weit weg von den betrieblichen Themen, dass sie nur noch Ressourcen steuern können. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Gesamtorganisation Ver.di zum reinen Logo verkommt, das keine politische Aussagekraft mehr hat.
Die Entscheidung zur Auflösung der eigenen Fachgruppe IT wurde in einem 14tägigen Diskussionsprozess durchgezogen, um mögliche Widerstände zu verhindern. Dabei ging es darum, die bisherigen Machtstrukturen des bisherigen Fachbereiches IK/IT 1:1 in die Fachgruppe IKT zu überführen.
Du hast beschlossen, auf der Fachbereichsebene nicht mehr anzutreten und auch nicht Teil des Übergangsgremiums zu sein, das dir vorgeschlagen wurde. Warum?
Das widerspricht meinem Organisationsverständnis. Die Organwahlen starten ja erst dieses Jahr. Man hat mir diese Funktion also zugewiesen und das widerspricht einem Wahlamt, in dem man sich alle vier Jahre stellen muss. Außerdem sind diese Übergangsgremien nur noch Beratungsgremien. Die Entscheidungsmacht liegt bei den Gründungsvorständen der großen Fachbereiche, alles darunter ist nur noch Beratung.
Auch für die IT soll ein Beratungsgremium geschaffen werden, was durchaus ein Vorteil sein kann, weil sich so auch IT-Beschäftigte aus anderen Fachbereichen einbringen können. Wenn aber das Demokratieverständnis davon geprägt ist, dass diese Gremien nur noch Beschlussvorlagen des Hauptamts abnicken und dazu dienen, dass die Hauptamtlichen sagen können, «ihr wart doch dabei», unterhöhlt es die innergewerkschaftliche Demokratie. Das ist fast wie Putins Begriff von der gelenkten Demokratie, weil man kaum eine Chance hat, auf Prozesse Einfluss zu nehmen, die von Hauptamtlichen mit Informationsvorsprung strukturiert sind. Als Ehrenamtliche erhalten wir durch die Umstrukturierung zwar mehr Aufgaben, aber weniger Entscheidungsmacht.
Siehe auch (pdf):
Offener Brief - Rückzug aus Gewerkschaftsarbeit
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