An den Rand notiert
von Rolf Euler
An große Zahlen haben wir uns im Zusammenhang mit der Finanzkrise und der Datenerzeugung gewöhnt. Eine Million (Mega…) – was ist das schon bei Euros oder Bytes? Der heutige Mensch rechnet in Milliarden (Giga…) und Billionen (Tera…) – seien es Vermögen (von Privaten), Schulden (von Staaten) oder Daten (in Bytes).
Eher ungewöhnlich sind große Zahlen in bezug auf Materie. Schiffe mit hunderttausend Tonnen Tragfähigkeit zum Beispiel sind noch eine andere Größenordnung.
Wissenschaftler haben nun ausgerechnet*, dass um das Jahr 2019/20 herum das Gewicht aller jemals von Menschen geschaffenen Gegenstände dem Gewicht der lebendigen Substanz auf der Welt gleichgekommen ist, und seitdem dieses Gewicht von rund einer Billion Tonnen überschreitet. Also alle Städte, Maschinen, Straßen, Haushaltsgegenstände, Verpackungen, Möbel, Geräte, Burgen – alles was hergestellt wird aus Stein, Beton, Metall, Kunststoff wiegt mit 1,1 Teratonnen inzwischen mehr als die gesamte Biomasse aus Pflanzen, Tieren und Menschen.
Tera, dieser Mengenbegriff vor der gezählten Einheit (z.B. Bytes bei Festplatten), kommt vom griechischen Wort «teras», was «Ungeheuer» heißt – ungeheuer viel, ungeheuerlich viele Tonnen, ungeheuerliche dramatische Folgen.
Denn: Es wird exponenziell mehr produziert – der Verbrauch an Sand, Wasser, Bodenschätzen nimmt zu. Der Bau von Megastädten geht voran. Der menschliche Verbrauch von «Erde», und auf der anderen Seite der Ausstoß von Treibhausgas, die Erzeugung von Schrott und Abfällen nehmen ebenfalls zu. Gleichzeitig gibt es einen Artenschwund, einen Verlust an Biomasse durch das Verschwinden von Tiergattungen, durch den Verbrauch von Wäldern, durch das Ansteigen des Meeresspiegels.
Wie schon bei der Einführung des Begriffs «Anthropozän» für die Epoche des Übergewichts menschlichen Einflusses auf alle Prozesse auf der Erde wird an dieser Tatsache deutlich, dass die technologischen und finanziellen Möglichkeiten der Massenproduktion und die Steuerung dieser Produktion durch Profitstreben inzwischen zu einer nachdrücklichen Bedrohung der weiteren Existenz vieler Menschen, sowieso schon vieler Tiere, geworden sind.
Nur ein kleines aktuelles Beispiel ist der Sanierungsbedarf aller Brücken etwa der hoch belasteten Sauerlandlinie A45. Diese sind etwa 50 Jahre nach Baubeginn so beschädigt, dass sie abgerissen und erneuert werden müssen. Die damals verbaute Materie (Stahl und Beton) wird weggesprengt, «entsorgt», und alles wird neu gebaut – ein erneuter Massenzuwachs der künstlichen Menschenwelt, der noch nicht mal die Probleme des Klimawandels, der notwendigen Verkehrswende oder des Wohlergehens der Natur berücksichtigen kann und wohl auch nicht will.
*Matthias Pfeffer: Menschliches Denken und Künstliche Intelligenz. Berlin 2021.
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