Acht-Stunden-Tag gefährdet
von Laurenz Nurk
Andrea Nahles soll Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit werden – als Arbeitsministerin machte sie 2017 den Gewerkschaften ein vergiftetes Geschenk.
Als sie Anfang des Jahres 2017 das Weißbuch Arbeiten 4.0 öffentlichkeitswirksam vorstellte, war zum ersten Mal «die probeweise Abschaffung des Acht-Stunden-Tags» auf dem Tisch. Acht Monate später wurde sie mit der Förderrichtlinie «Zukunftsfähige Unternehmen und Verwaltungen im digitalen Wandel» konkreter. Den Unternehmen sollten «Lern- und Experimentierräume» gestellt werden, in denen experimentell die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes überschritten werden.
Die Gewerkschaften wollte sie damit ködern, dass Änderungen bei der Arbeitszeit nur durch einen Tarifvertrag mit der Gewerkschaft oder durch eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat geändert werden können. Gewerkschaften und Betriebsräte sollten selbst bei der Veränderung der fast 100jährigen Gültigkeit des Acht-Stunden-Tags Hand anlegen.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hatte damit den Startschuss für die Einrichtung von betrieblichen Lern- und Experimentierräumen für Arbeitsinnovationen gegeben. Begleitet wurde dieser Eingriff in das Arbeitsrecht von der Individualisierung der Arbeitszeitwünsche. Dafür schob Nahles die Eltern vor, die dann ihr Kind am späten Vormittag in die Kita bringen könnten. So hieß es in den Richtlinien: «Von besonderem Interesse sind innovative Konzepte orts- und zeitflexibler Arbeit, auch für Beschäftigte mit Betreuungspflichten oder für Menschen mit Behinderung und Modelle lebensphasenorientierter Arbeitsorganisation.»
Nahles bekam damals für ihren Vorstoß Unterstützung von Alexander Gunkel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der CDU-FDP-Koalition in Nordrhein-Westfalen und vom DGB – dieser unterstützte vor allem den Ansatz der betrieblichen Experimentierräume. Genau hier stand das Einfallstor für die Ausweitung der Arbeitszeit. Nahles warf den Gewerkschaften die Brotkrumen der «Vergrößerung der Tarifbindung» hin und ging davon aus, dass, wie schon so häufig, einige Gewerkschaften hier mitziehen und anbeißen würden. Das war schon so bei dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und bei dem «Tarifeinheitsgesetz». Die Gewerkschaften arbeiteten hier aktiv an der Beschneidung von Arbeitsrechten mit.
Was wir brauchen, ist aber ein modernes Arbeitszeitgesetz mit der Verkürzung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden, mit vollem Lohn und Personalausgleich und eine gerechte Verteilung der gesamten gesellschaftlich notwendigen und nützlichen Arbeit zwischen den Geschlechtern, den Generationen und den Regionen dieser Welt.
Quelle: gewerkschaftsforum.de
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