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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2022

Der Sozialdemokrat António Costa kann wieder allein regieren
von David Kellaway

In vielen Ländern der Welt sind Rechtspopulisten auf dem Vormarsch. So auch in Portugal. Die linken Parteien sind mehr denn je in den politischen Hintergrund gerückt.

Am 30.Januar gab es in Portugal vorgezogene Parlamentswahlen. Dazu war es gekommen, weil der antikapitalistische Bloco de Esquerda (Linksblock) und die Portugiesische Kommunistische Partei (PCP), die die Minderheitsregierung des Sozialdemokraten António Costa toleriert hatten, im vergangenen Oktober seinen Haushaltsentwurf ablehnten. Sie wollten die schleichende Privatisierung und die mangelnden Mittel für den Nationalen Gesundheitsdienst sowie die unzureichende Erhöhung des landesweiten Mindestlohns nicht mittragen.
Die beiden Linksparteien hatten nach den Wahlen von 2015 mit Costas sozialdemokratischer PS (Partido Socialista) ein Abkommen über Maßnahmen zur Verteidigung des Lebensstandards und einige andere progressive Maßnahmen geschlossen. Es handelte sich um eine externe Unterstützung, die Linke trat selbst nicht in die Regierung ein. Auf diese Weise verfolgte sie einen anderen Ansatz als die linke Partei Unidos Podemos im Spanischen Staat, die Teil einer von der sozialdemokratischen PSOE geführten Koalition ist. Unidos Podemos hat sich von ihrer ursprünglichen Position eines Bruchs mit dem System entfernt.
Costa fühlte sich durch das Abkommen mit den linken Parteien immer eingeschränkt, sodass er nun bereit war, den Bruch mit ihnen zu vollziehen und eine absolute Mehrheit anzustreben. Das ist ihm gelungen.
Mit 119 Sitzen (die absolute Mehrheit) ging die PS als klarer Sieger aus den Wahlen hervor. Die größte Oppositionspartei, die Mitte-Rechts-Partei PSD, erreichte nur 78 Sitze. Dafür hat die rechtsextreme Chega (wörtlich: «Es reicht!») 6 Prozentpunkte dazugewonnen, und die neoliberale Iniciativa Liberal hat mit knapp 5 Prozent den Linksblock überflügelt, während die rechtskonservative Volkspartei (CDS-PP), die 2015 noch an der Regierung war, keinen Sitz erlangen konnte.
Der Bloco hingegen hat über die Hälfte seiner Stimmen verloren und nur noch fünf Abgeordnete. Die PCP erhielt etwas weniger Stimmen und hat sechs Abgeordnete. Enthaltung war geringer als 2019, aber immer noch sind 42 Prozent der Wahlberechtigten nicht zur Wahl gegangen.
Die dominanten Teile der herrschenden Klasse können sich freuen, dass eine gemäßigte sozialdemokratische Partei ihre Interessen nun schützt und stabil für sie sorgt.

Gründe für die Niederlage der Linken
Sicher hat in Zeiten der Pandemie die Sorge um Sicherheit und Stabilität eine größere Rolle gespielt. Costa spielte diese Karte sehr gut aus, indem er immer wieder betonte, der Deal mit der Linken hindere die Regierung daran, das Land aus der Krise zu führen und ihren Anteil an den EU-Konjunkturmitteln abzurufen. Er versprach einen «Dialog mit den anderen Parteien» und die Förderung «des notwendigen Konsenses im Parlament und zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern». Die Regierung und die sie unterstützenden Massenmedien konnten die linken Parteien damit zu Störenfrieden und Spaltern erklären.
Im Wahlkampf war es zudem zu einer Polarisierung zwischen den beiden Mehrheitsblöcken von PS und PSD gekommen, die Umfragen sahen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Dies könnte ehemalige Bloco- oder PCP-Wähler veranlasst haben, für die PS zu stimmen, um sicherzustellen, dass die PSD nicht in die Regierung kommt.
Aus Sicht der arbeitenden Bevölkerung Portugals – die ohnehin zu den ärmsten in Europa gehört – ist die Wahl eine Niederlage. Nun wird die Regierung Costa keine Absprachen mit der Linken mehr brauchen. Diese ist schwächer denn je. Der Bloco war früher drittstärkste Kraft im Parlament und ist jetzt auf Platz 5 zurückgefallen. Mit den Wahlverlusten schwinden auch die Ressourcen, die der Partei zur Verfügung stehen, und ihre Medienpräsenz.
In Ermangelung großer Massenkämpfe und -kampagnen und angesichts des Vormarschs rechtspopulistischer Ideen muss es für die Linke schwer gewesen sein, Zustimmung zu ihrer Ablehnung des Haushalts zu gewinnen. Eine prinzipienfeste Position führt auch nicht immer zum Wahlerfolg. Nun besteht die Aufgabe darin, die Unterstützung der weniger radikalen Schichten aufrechtzuerhalten.
Die Wahlenthaltung war geringer als 2019, aber es haben immer noch 42 Prozent nicht gewählt. Costa ist nicht der Anführer eines Massenaufstands für seine Version des Sozialliberalismus. Diese Zahl drückt einen Trend aus, der auch anderswo in Europa zu beobachten ist, und spiegelt eine wachsende Entfremdung vom politischen Prozess wider. Für die Linke stellt sie ein Publikum dar, das wir ansprechen und für eine radikale Alternative gewinnen müssen. Gleichzeitig ist sie ein Reservoir an potenzieller Unterstützung für die Rechtspopulisten und die Neofaschisten.

Quelle: https://anticapitalistresistance.org/portuguese-elections-socialist-party-wins-but-defeat-for-left/ (von der Redaktion gekürzt).

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