Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 05/2022

An den Rand notiert
von Rolf Euler

Was kaum eine kurze Notiz auf den Wirtschaftsseiten wert ist, müsste als ein Skandal auf den ersten Seiten platziert werden:
Die Firma Biontech, die den Corona-Impfstoff entdeckt und entwickelt hat und ihn weltweit vermarktet, hat bei einem Umsatz von knapp 19 Milliarden Euro einen Nettogewinn von über 10 Milliarden erzielt.

Mehr als die Hälfte des Umsatzes mit diesem Impfstoff, der von den Staaten bezahlt wird, an die er geliefert wird, bleibt als Gewinn in einer Privatfirma hängen. Das sind Steuergelder, deren Verwendung offenbar ins Belieben des Lieferanten gestellt wird.
Der damalige Gesundheitsminister Spahn (CDU) hat die Lieferverträge abgeschlossen, als noch keine Impfstoffe bereit standen. Dabei hat er offenbar «vergessen», eine Klausel einzufügen, dass bei Massenproduktion nicht mehr dieselben Preise wie zu Anfang gezahlt werden müssen.
Die Gründer von Biontech haben das Bundesverdienstkreuz erhalten. Ihr persönliches Einkommen dürfte im Millionenbereich liegen. Sicher werden sie nicht unter der Preisexplosion der letzten Wochen leiden müssen, wie etwa Grundsicherungsempfänger, denen 3 Euro Erhöhung «gegönnt» wurde. Aber diese Gewinne ihrer Firma sind nicht nur schamlos – und das doppelt, weil sie immer darauf bestanden haben, die Patente nicht freizugeben –, sie sind ein Raub an öffentlichem Eigentum.
Die bloße Forderung nach Vergesellschaftung der Gewinne aus der Impfstoffproduktion scheint heutzutage meilenweit weg, ebenso wie ein Betrieb solcher Produktionen allein im öffentlichen Interesse und unter demokratischer Verwaltung.

Das betrifft ebenso die Bahn. Ihr Umsatz betrug 2021 rund 47 Milliarden Euro, ihre Verluste 900 Millionen Euro, was dazu führte, dass den beiden obersten Konzernchefs 10 Prozent mehr Gehalt zugesprochen wurde. Ungeachtet der Baukostenentwicklung bei Stuttgart 21, die schon jetzt, wie von den Gegnern prognostiziert, über 10 Milliarden Euro betragen werden – für einige Minuten Fahrzeitsenkung Richtung Osten. Über dieses Projekt wird kaum noch ein Wort verloren – aber die nächste Lohnerhöhungsrunde bei der Bahn dürfte angesichts der Preissteigerungen für die Beschäftigten wieder einmal sehr schwierig werden. Zumal die Inflationsrate in Deutschland im März bei 7,3 Prozent lag, mit steigender Tendenz.
Verkehrsminister und Gesundheitsminister laufen den Entwicklungen nicht nur hinterher, sie haben jahrelang die Entscheidungen unterstützt, den öffentlichen Verkehr und den Gesundheitsbereich zugunsten privater Betriebe abzubauen. Jetzt von Sparmaßnahmen zu reden, ist angesichts des Krieges wohlfeil. Dabei müsste im Gegenteil die Resilienz gegen Krisen durch die öffentliche Hand gestärkt werden, gerade im Gesundheits- und Energiesektor und ebenso bei der sozialen und technischen Vorsorge. Die Überschwemmung im Ahrtal und was da nötig war, als die normalen Systeme zusammenbrachen, ist noch in guter Erinnerung.

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