Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2022

In Berlin machen Mieter:innen und Clubs gegen den Ausbau der Autobahn mobil
von Peter Nowak

«A100 – holen wir uns die Stadt zurück», heißt es auf der Homepage des Berliner Landesverbands der Grünen. Damit protestieren sie gegen die Ankündigung der Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Daniela Kluckert, Gelder für die Weiterführung des Stadtrings A100 vom Treptower Park bis zur Storkower Straße in Prenzlauer Berg freizugeben.

Kluckert gehört wie ihr Chef, Bundesverkehrsminister Volker Wissing, der FDP an und ist Bundestagsabgeordnete mit Wahlkreis in Pankow.

Sowohl Wissing als auch Kluckert sind als entschiedene Autolobbyis­t:in­nen bekannt. Dass sie allerdings in einer Bundesregierung, in denen die Grünen mitregieren, grünes Licht für eine weitere Trasse der A100 geben, hat in Berlin für großen Unmut gesorgt. Schließlich ist die A100 seit hier seit vielen Jahren ein großes Streitthema. Die Pläne dafür kommen noch aus den 90er Jahren, damals waren die Autobahngegner:innen noch eine kleine Minderheit. Das hat sich geändert.
Mittlerweile gibt es eine Reihe von Initiativen, die gegen den Weiterbau kämpfen. Die Entscheidung des Bundesverkehrsministerium für den Weiterbau hat unter den überwiegend reformorientierten A100-Gegner:innen auch deshalb für Wut gesorgt, weil ihnen auch von den Grünen und ihrem Umfeld immer wieder gesagt wurde, der Schlüssel für eine Verhinderung des Weiterbaus liege bei der Bundesregierung, weil die Landespolitik auf den Verkehrswegeplan keinen Einfluss hat.
Nun hat sich gezeigt, dass das FDP-geführte Verkehrsministerium den autofreundlichen Kurs weiterführt und die mitregierenden Grünen sich nur überrascht geben können. Sofort nachdem die Entscheidung bekannt wurde, gab es gut besuchte Vorbereitungstreffen für Proteste gegen den Weiterbau der A100.

Mieterinteressen in den Mittelpunkt stellen
Vor allem in den zahlreichen Clubs, die im Areal um den Bahnhof Ostkreuz ihr Domizil haben, regt sich der Widerstand, weil sie der A100 weichen sollen. Allerdings weisen einige Betreiber:innen darauf hin, dass die Clubs bisher vom Bundesverkehrswegeplan profitiert haben. Sie sind Zwischennutzer:innen, bis der anvisierte A100-Bau beginnt.
Ein Stop dieser Pläne würde zu einer Entwicklung führen, wie wir sie an vielen anderen Orten kennen: Immobilienkonzerne würden sich die Grundstücke unter den Nagel reißen und noch mehr Mikroappartements und hochpreisige Wohnungen bauen.
Hier wird auch deutlich, dass in der aktuellen Diskussion um die A100 die Interessen der Mieter:innen fast gar nicht vorkommen. Auch sie wurden und werden durch die Trasse vertrieben. 2014 weigerten sich Mieter:innen der Beermannstraße 23 in Berlin-Treptow, der Autobahn zu weichen und wurden darin auch von Umweltverbänden unterstützt. Allerdings vergeblich, die Mieter:innen wurden entschädigungslos enteignet. Nur so konnte die aktuelle Trasse der A100 gebaut werden.
Auch im Kampf gegen den Weiterbau gilt es, die Interessen der Mieter:innen in den Mittelpunkt zu stellen. So sollte gefordert werden, dass die Flächen und die Gelder statt für eine Autobahn, die niemand braucht, für den kommunalen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt soll, für Menschen, die sich in Berlin kaum noch eine Wohnung leisten können.

Autolobby spricht von Klimaautobahn
Zu den Verteidigern der A100 gehören die AfD, die Union, die FDP, diverse Kapitalverbände und konservative Medien. Die moderateren Teile versuchen, die A100 als Klimaautobahn zu verkaufen. Dabei wissen alle, die klimafreundlichste Autobahn ist die, die nie gebaut wird.
Allerdings darf nicht vergessen werden, dass es noch immer Menschen gibt, die auf das Auto angewiesen sind, um bspw. zur Lohnarbeit zu fahren. Auf diese Menschen zielen rechtspopulistische Kampagnen, die gegen die «Diktatur» von Umweltverbänden agiert, die den Bürger:innen angeblich das Autofahren verbieten wollen. Daher muss die Mobilisierung gegen die A100 mit einem flächendeckenden preisgünstigen Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs verbunden sein.
Warum sollte das Geld, das heute vom Staat für die Infrastruktur des Autoverkehrs ausgegeben wird – Aufwendungen für den Autobahn- und Straßenbau gehören dazu – nicht in die Subventionierung von Bahnen und Bussen fließen? Darauf zielte im vorletzten Jahr die gemeinsame Kampagne von Ver.di und der Klimabewegung.
Es wäre zu wünschen, dass auch dieses Bündnis Teil des Widerstands gegen den Weiterbau der A100 wird.

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