Militär und Klima: Rüstungsproduktion und Krieg schaden nicht nur dem Menschen, auch dem Klima
von Lorenz Küppers
In der öffentlichen Diskussion rund um die Reduktion von Umweltbelastungen erhält ein entscheidender Sektor viel zu wenig Aufmerksamkeit – das Militär. Das Militär ist für enorme Treibhausgasemissionen und Feinstaubbelastungen verantwortlich. Panzer, Flugzeuge, Schiffe – sie alle verbrauchen immense Mengen an Treibstoff, ob im Krieg oder bei Übungen.
Um welche Mengen an CO2-Emissionen es hier eigentlich geht, wird bewusst, wenn man sich entsprechende Hochrechnungen ansieht.
Einer Studie von Neta Crawford zufolge lässt sich im Jahr 2018 den US-Militärausgaben, die bei knapp 650 Milliarden US-Dollar lagen, eine Umweltbelastung von 340 Millionen Tonnen CO2 zuordnen. In dieser Studie wurden die bei der Herstellung von Militärgütern entstandenen Emissionen einbezogen. Nutzt man dieses Ergebnis als Richtwert, so ergeben sich CO2- Emissionen von 0,52 Millionen Tonnen pro Milliarde Militärausgaben. Im Jahr 2018 läge der dem Militär weltweit zuzurechnende CO2-Wert damit bei 940 Millionen Tonnen. Rechnet man mit den Zahlen aus dem Jahr 2020, läge er sogar knapp über einer Milliarde.
Um das in Perspektive zu rücken: Deutschlands gesamter CO2-Ausstoß lag im Jahr 2018 bei knapp 750 Millionen Tonnen, der Japans bei 1200. Damit nimmt das Militär Platz sechs der größten CO2-Emittenten ein und hätte einen prozentualen Anteil von knapp 2,5 an allen CO2-Emissionen. Es geht hier also nicht um marginale Größen.
Die Folgeschäden
Sowohl bei militärischen Einsätzen als auch bei Übungen kommt es zu verheerenden Schädigungen des Ökosystems, die ihrerseits folgenreich sind. Eines von vielen Beispielen ist der kürzlich durch Heeresübungen verursachte Waldbrand in Niederösterreich oder der von der Bundeswehr im niedersächsischen Emsland ausgelöste Moorbrand 2018. Im Vergleich zu sonstigen Bomben- und Raketentests oder Manövern sind das sogar noch Kleinigkeiten, und bereits diese haben starke Auswirkungen auf das Klima.
Im Krieg kommt es zu wesentlich katastrophaleren, oft taktischen Eingriffen in die Umwelt. Waldgebiete werden großflächig niedergebrannt, Grundwasser wird verunreinigt, Böden werden verseucht. Ein Beispiel hierfür ist die Entlaubung der Wälder durch die US-Armee während des Vietnamkriegs. Dabei starben bis zu rund 44 Prozent der Wälder in Vietnam. Im Zuge des Zweiten Golfkriegs 1991 brannten die Ölfelder in Kuwait. Allein dieser Umstand war für 2 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen in dem Jahr verantwortlich.
Militärische Eingriffe sorgen für Schäden, von denen sich die Umwelt entweder gar nicht oder nur sehr langsam erholt. Hinzu kommt die drohende Gefahr eines Atomkriegs, der einen nuklearen Winter auslösen würde, der das Absterben der Natur zur Folge hätte.
Nachhaltigkeit und Militär sind schlichtweg nicht vereinbar. Nicht nur wegen der direkten Auswirkungen militärischer Einsätze, sondern auch wegen der aus ihnen erwachsenden vermehrten Instabilität entstehen hohe Umweltschäden. Der verstärkte Bedarf an humanitärer Hilfe führt zu erhöhten Emissionen. Zudem haben die betroffenen Regionen bzw. Staaten in Zeiten des Krieges kaum oder keine Kapazitäten, um sich an gemeinsamen Bemühungen gegen den Klimawandel zu beteiligen. Je länger Konflikte anhalten, umso mehr beeinflusst das auch den Prozess einer möglicherweise nachhaltigeren Lebensweise.
Die Sonderstellung des Militärs
Der Trend geht in Richtung Militarisierung, das haben die Ereignisse des Ukrainekonflikts noch einmal mehr als deutlich aufgezeigt. Die Bundesregierung bringt ein 100 Milliarden schweres Paket für die Aufstockung der Bundeswehr auf den Weg und auch der jährliche Verteidigungsetat wächst stetig. Die weltweiten Militärausgaben steigen kontinuierlich. Man hat es hier mit einem Aspekt von Umweltzerstörung zu tun, der von den Verantwortlichen konsequent unter dem Radar gehalten wird.
Die NATO-Staaten setzen sich aktiv dafür ein, das Militär aus den Diskussionen um den Klimawandel herauszuhalten. In den UN-Klimadokumenten wie dem Kyoto-Protokoll oder der Charta von Paris taucht der militärische Sektor gar nicht auf. Gemäß dem Pariser Klimaabkommen können Staaten selber entscheiden, ob sie die Treibhausgas-Emissionen ihres Militärs veröffentlichen wollen. Man war sich anscheinend einig, dass militärische Operationen von den Emissionszielen losgelöst sein sollten. Und auch die Bundeswehr zeigt trotz vielfacher Forderungen mangelhafte Transparenz, was die Veröffentlichung all ihrer CO2-Emissionen angeht.
Diese Umstände führen zu einer stark verdunkelten Datenlage, die es erschwert, gegen das Problem vorzugehen. Das Militär wird quasi aus der gesamten Klimadiskussion ausgeklammert.
Hinzu kommt der immense Einfluss der Rüstungslobby. Ihr ist natürlich daran gelegen, den negativen Einfluss des Militärs aus Klimadiskussionen herauszuhalten, um auf möglichst wenig Gegenwehr für ihre Wachstumspläne zu stoßen. Die Verschlimmerung der Situation eröffnet sogar die Möglichkeit, das Militär als Lösung für das bevorstehende Klimachaos zu propagieren. Die Rüstungsindustrie schlägt also Kapital aus der Verschlechterung der Gesamtsituation.
Auch Staaten unterstützen diese Sichtweise: ein starkes Militär hilft vermeintlich bei den sich intensivierenden Naturkatastrophen und massenhaften Fluchtbewegungen. Im Ahrtal zeigte die Bundeswehr ihre «freundliche Seite», womit ihre Legitimation in der Bevölkerung gesteigert werden soll. Dabei sollte man eher an der Lösung des Problems arbeiten, anstatt Symptome mit etwas zu bekämpfen, was zu mehr Symptomen führt.
Militarisierung oder Klimaanpassung?
Wirklich tragisch ist, dass die unglaublichen Summen, die für den militärischen Sektor mobilisiert werden, geradewegs in die Zerstörung der Umwelt gepumpt werden. Und das, obwohl man mit diesen Geldern die Nachhaltigkeit in essenziellen Sektoren vorantreiben könnte.
Laut Schätzungen der Climate Policy Initiative müssten jährlich, 3800 Milliarden US-Dollar ausgegeben werden, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Im Jahr 2020 wurden weltweit 1981 Milliarden US-Dollar in Militär und Rüstung gesteckt, in Klimaschutz und Klimaanpassung gerade einmal knapp 320 Milliarden US-Dollar. Diese Priorisierung des Militärs zielt auf die Erlangung von Vormachtstellungen ab und hängt eng mit den kapitalistischen Interessen der Staaten zusammen.
Im Kampf um stetig knapper werdende Ressourcen ist militärische Macht zentral. Das haben nicht nur die USA immer wieder unter Beweis gestellt. Um auch die letzten Vorkommnisse fossiler Brennstoffe und anderer Ressourcen unter Kontrolle zu bringen, braucht es nun mal Streitkräfte.
Es ist wichtig, die Auswirkungen des Militärs auf die Umwelt mehr in den Fokus öffentlicher Diskussionen zu rücken. Besonders jetzt, wo Aufrüstung kaum noch kritisiert und der Ruf nach Militarisierung auch in der Bevölkerung lauter wird. Dem Kriegstreiben und der Aufrüstung muss entschlossen entgegengetreten werden. Es bedarf Konfliktlösungen abseits des militärischen Weges. Nicht zuletzt aufgrund des Klimawandels.
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