Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2022

Ein Beitrag zur Debatte
von Rolf Euler

Zu der in der SoZ geführten Debatte um politische Vorstellungen gegen den Krieg, um Friedensbewegung und Bewaffnung, möchte ich vor allem einen anderen Aspekt betonen: den der Resilienz (Widerstandsfähigkeit) einer Gesellschaft gegen Krisen aller Art, auch gegen kriegerische Auseinandersetzungen.

Meine Phantasie reicht zur Zeit nicht, um weitergehende Vorstellungen zu entwickeln, die bei der Debatte um Volksbewaffnung eine Rolle zu spielen scheinen. Mir scheint, dass es in den europäischen Ländern in den letzten Jahrzehnten keine größere Bewegung gegeben hat, die sich gern «bewaffnen» wollten. Selbst die radikaleren Bergarbeiteraktionen etwa in Frankreich, Nordspanien oder Großbritannien, ganz zu schweigen von Deutschland, hatten nichts mit Gewehren im Sinn. Die Arbeiterbewegung 1968 in Frankreich, militant und von der Polizei malträtiert, war eine andere, als die Befreiungsbewegungen in den Ländern der Dritten Welt, deren Volksbewaffnung damals von Linken unterstützt wurde. Konflikte «friedlich» auszutragen, wird doch von vielen Menschen als Fortschritt angesehen, Sehnsucht nach Bürgerkrieg gab es weder 1953 noch 1989 in der DDR bei der noch relativ starken Arbeiterbewegung.
Bei den heutigen Bewegungen gegen die Klimakrise, gegen die Umweltverschmutzung durch die Konzerne der fossilen Energien, zur Bewahrung eines lebensfähigen Planeten wäre eine Forderung in Richtung «Bewaffnung» völlig unmöglich, weder innerhalb der Bewegung vermittelbar, noch mit den Zielen vereinbar. Oder die «Me-Too»-Bewegung, deren Kampf gegen das Patriarchat und gewalttätige Männer und gesellschaftliche Zustände geradezu nach «Waffenlosigkeit» ruft und offensichtlich nicht nach: «Wie du mir, so ich dir!»
Ich nehme die Bestrebungen vieler junger Leute ernst, die ein Freiwilliges Soziales Jahr für fortschrittliche Ziele in sozialen Organisationen ableisten und die zeigen, was möglich und nötig ist. Die Bedeutung von Forderungen der Friedensbewegungen, von Bemühungen solcher Organisationen wie medico international, oder die Bewegung Fridays For Future zeigen in dieselbe Richtung.

Vorbild USA?
Mit dem Ziel einer solidarischen, emanzipatorischen gesellschaftlichen Entwicklung viel eher verbunden sind grundsätzlich friedliche Konfliktlösungsverfahren. Auch viele Generationen in Deutschland, die die Kriegszeiten erlebt oder den Wehrdienst verweigert haben, werden kaum dazu zu bewegen sein, auf Waffen zu setzen, und dann: Gegen wen und was?
Die meisten Waffen außerhalb der militärischen und polizeilichen Truppen in Deutschland gab es in den Händen von Rechtsextremen, Reichsbürgern und ehemaligen Soldaten, die sie bei den Einheiten geklaut hatten – nicht das Vorbild für eine zukünftige Politik zur Beseitigung unterdrückerischer und gewalttätiger Verhältnisse, sondern für Putsche aller Art und terroristische Angriffe. Da wo die Bevölkerung viele Waffen hat, in den USA, kann man nicht sehen, wie dies vorbildhaft konfliktlösend und gesellschaftlich fortschrittlich sein kann.
Man sollte auch die veränderte Politik etwa der IRA , der ETA oder auch der PKK oder die Entwicklung in Südafrika nach 1990 in weiterführende Überlegungen einbeziehen.
Bei der Überschwemmung im Ahrtal war zu sehen, dass die Bevölkerung mit Krisen solidarisch umgehen kann, wenn die Mittel da sind und die Fähigkeiten. Dazu braucht man residierte Strukturen im Gesundheitswesen, beim technischen Hilfswerk, bei der Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln, Strom. Resilient hieße Ausbildung und öffentliche Mittel für Vorsorge, Technik, medizinisches Personal, alternative und lokale Lebensmittel- und Energieversorgung, aber keine Bewaffnung. Der vor kurzem von der Innenministerin herausgegebene Rat, die Bevölkerung solle selbst vorsorgen, kann nur schlecht verbergen, dass die Politik in vielen dieser Punkte versagt hat, und daher individuelle Verantwortung vorschiebt.
Ganz zu schweigen von der Vorbeugung gegen die Folgen des Klimawandels, wo die 100 Milliarden für die Aufrüstung in eine völlig falsche Richtung zeigen. Dem würde ich nicht eine gesellschaftlich falsche Aufrüstungsdebatte entgegensetzen.

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