Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2022

Ein feministischer und antirassistischer Blick auf die Institutionen
von Violetta Bock

Vom 27. bis 29.April lud die Rosa-Luxemburg-Stiftung zu einem internationalen Austausch nach Salvador de Bahia im Norden von Brasilien ein.

Mehr als 40 Aktivistinnen, Politikerinnen und Abgeordnete aus Brasilien, Chile, dem Spanischen Staat, dem Baskenland, Katalonien, Deutschland, Portugal und Argentinien erzählten von konkreten Ansätzen: etwa den Kampf für ein Wahlrecht in Portugal, die Erfahrungen in der Verfassunggebenden Versammlung in Chile oder die weltweit von Linken beachtete Kampagne «Deutsche Wohnen & Co enteignen».

Die Bedeutung von Repräsentation
Bahia, ein Bundesstaat mit über 80 Prozent schwarzer Bevölkerung, aber einem mehrheitlich weißen Parlament, wurde als Treffpunkt ausgesucht, um besonders den Kampf der schwarzen Frauen in der Politik sichtbar zu machen. Im Nationalkongress sind weniger als 2 Prozent schwarz. In den letzten Jahren entwickelte sich eine bundesweite Allianz, um ihre Repräsentation in Institutionen zu stärken und Öffentlichkeit zu schaffen gerade für die Gewalt, der viele ausgesetzt sind.
Die Figur von Marielle Franco, einer schwarzen Feministin, LGBTIQ- und Menschenrechtsaktivistin und Stadträtin in Rio de Janeiro, bis sie vor vier Jahren bei einem bis heute nicht aufgeklärten Verbrechen ermordet wurde, wurde von allen Teilnehmerinnen als wichtige Referenz und Inspiration für feministische und antirassistische Kämpfe auf der ganzen Welt hervorgehoben. Ihre Power, verankert im antikolonialen Kampf, prägte die drei Tage auf besondere Weise.

Spannungsfeld Institution
Aus mehreren Orten in Brasilien wurde über die Organisationsform des kollektiven Mandats berichtet, mit dem versucht wird, aus einem feministischen Ansatz heraus institutionelle Logiken zu durchbrechen. Auch wenn organisatorisch herausfordernd, ist das ein Weg, die Rückkopplung in die Community und in soziale Bewegungen sicherzustellen.
Deutlich wurde auch immer wieder, dass die Arbeit in Institutionen kein Selbstläufer ist. So gelingt es der Verfassunggebenden Versammlung in Chile, fortschrittliche Artikel, etwa in bezug auf das Recht auf Abtreibung und soziale Rechte zu verabschieden. Ob dies am Ende im Referendum im Herbst angenommen wird, ist jedoch trotz linker Regierung und angesichts der bereits beginnenden Gegenmobilisierung von rechts keine Selbstverständlichkeit.

Die LINKE und ihre Strukturen
Drei Tage sind natürlich viel zu kurz, um qualifizierte Einblicke in alle Kontexte und Diskussionen zu erhalten. Internationale Konferenzen sind vor allem wichtig, um über den Tellerrand zu schauen und einen Anstoß für weitere Vernetzungen zu geben. Solche Konferenzen machen deutlich, welche Bedeutung die Organisiertheit und Beschaffenheit der Linken in einem imperialistischen Land wie Deutschland auch global hat – ganz konkret in bezug auf Ressourcen, wie etwa die Arbeit der RLS, ganz allgemein für antikapitalistische Kämpfe. Angesichts des derzeitigen Zustands der Linken in Deutschland könnte diese den internationalen linken Erfahrungsschatz durchaus stärker nutzen, etwa in bezug auf den Umgang mit sexuellen Übergriffen in den eigenen Reihen.

Zum Aufruf, der die Grundlage für das Netzwerk bildete, siehe: www.die-linke.de/start/nachrichten/ detail/feministischer-und-antirassistischer-aufruf/.

Teile diesen Beitrag:
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.