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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 06/2022

An den Rand notiert
von Rolf Euler

Ende April hat der Verein digitalcourage wieder die BigBrother­Awards verliehen. Datenschluckende Behörden und Firmen, Umgehungen der Datenschutzverordnungen, Tracking von Arbeiter:innen wurden mit diesem Datenschutz-Negativpreis «geehrt», darunter das Bundeskriminalamt und die irische Datenschutzbehörde.

Der Preis in der Kategorie «Arbeitswelt» ging an die Firma Lieferando. Bei dieser Firma sind hunderte Fahrer:innen damit beschäftigt, bei Restaurants und Geschäften bestellte Waren zum Kunden zu bringen. Dafür müssen sie auf ihr Smartphone eine App laden, die Daten an Lieferando bzw. die Muttergesellschaft Just Eat Takeaway.com N.V in Amsterdam weiterleitet. Diese Scoober-App ermöglicht eine umfassende Überwachung und Kontrolle der Fahrenden per GPS. Die App weist allen über das Smartphone Abholung und Lieferung, Lieferzeitpunkt und die Übergabe der Bestellung zu.
Der Laudator Peter Wedde vom Institut für Datenschutz, Arbeitsrecht und Technologieberatung sagte:
«Mit der Auszeichnung würdigen wir die Verarbeitung von weiteren personenbezogenen Daten über die Scoober-App, die für die Abwicklung einer Lieferung nicht erforderlich sind … (es) werden pro Lieferung 39 Einzeldaten erhoben und verarbeitet … insbesondere die permanente Erfassung der aktuellen Standorte der Fahrerinnen und Fahrer mittels GPS-Tracking. Sie erfolgt alle 15 bis 20 Sekunden … Anhand dieser GPS-Daten lässt sich ein umfassendes Bild des individuellen Arbeitsverhaltens gewinnen: Wer zu schnell oder zu langsam für Lieferando unterwegs ist … oder scheinbar grundlos Pausen einlegt. Die übermittelten GPS-Daten werden auch nach der Übergabe der Bestellung weiter aufbewahrt, ohne dass dafür eine Notwendigkeit bestünde. Es gibt Hinweise darauf, dass Lieferando innerhalb eines Jahres für Vollzeitkräfte mehr als 100000 Einzeldaten gesammelt hat.»
Dies wird von Datenschutzbeauftragten als «nicht erforderliche und rechtswidrige Beschäftigtenüberwachung» angegeben. Das Bundesarbeitsgericht sieht darin «einen unzulässigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte».
Ein weiterer entscheidender Grund für den Preis ist die Tatsache, dass die Daten auch an Internettracker wie Google-Systeme weitergegeben werden, ohne dass die Fahrer:innen das ablehnen können, zudem ist die «Datenschutzerklärung» auf englisch gehalten.
Die «New Economy» erweist sich in vielen Fällen als Überwachungsmaschine für die Beschäftigten. Minutengenaue Überwachung von Verhalten über Standort-GPS führt zu Arbeitshetze und gesundheitlicher Gefährdung der Fahrer:innen. Über tausend Verletzte bei Lieferando im Jahr 2021 sprechen eine deutliche Sprache.
Man kann dem BigBrotherAward nicht lediglich in diesem Fall nur eine deutliche Wirkung für die Betroffenen wünschen, damit die Zustände der permanenten Überwachung und Hetze beendet werden.

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