Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 07/2022

Hafenarbeiter gegen Preissteigerung und Arbeitsverdichtung
von J.H.Wassermann

Nach Jahrzehnten Kampfpause waren die Hafenarbeiter der norddeutschen Häfen wieder im Warnstreik und auf der Straße.

Im Tarifbereich Deutsche Seehäfen (Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Braake, Emden u.a.) sind 12000 Beschäftigte in 58 Betrieben im Tarifkampf (zu Redaktionsschluss noch nicht abgeschlossen). Die Firmen in den Häfen, die Container umschlagen, Autos verladen und die Häfen und Terminals betreiben sind sowohl privat als auch in öffentlicher, kommunaler Hand. Die Gewerkschaft Ver.di fordert 1,20 Euro mehr in der Ecklohngruppe 6, eine Erhöhung der jährlichen Zulage um 1200 Euro, einen nicht näher bezifferten «vollständigen Inflationsausgleich» und: Höchstens 12 Monate Laufzeit.
Nach 4,5 Stunden Warnstreik am 19.Juni waren am 23.Juni wieder Tausende 24 Stunden lang im Warnstreik. Höhepunkt war bisher eine selbstorganisierte Demonstration von knapp 4000 Hafenarbeitern in der Hamburger Innenstadt am 23.Juni. Versammlungen und Demonstrationen gab es aber auch an anderen Standorten. Die Hauptparole in Hamburg war: «Inflationsmonster stoppen!»
Die Tarifrunde kommt zu einem Zeitpunkt, wo mehrere Entwicklungen zusammenlaufen. Die monatelange Corona-Quarantäne in Shanghai, dem mit Abstand wichtigsten Hafen der Welt, hat zu einem globalen Stau auf dem Wasser geführt. Jetzt liegen schon mindestens 30 große Containerfrachter in der Deutschen Bucht in der Nordsee und warten auf Platz in den Häfen.
Der große Andrang führt zu einem massiven Anstieg der Arbeitsbelastung, von den Kollegen wurde Verzicht auf freie Tage und regelhaft Überstunden gefordert.
Außerdem geht die Angst um, dass ein Zusammenschluss der Häfen in Bremerhaven und Hamburg in einer Dachgesellschaft viele hundert Arbeitsplätze kosten könnte.
Und dann explodieren seit vielen Monaten die Gewinne der Reeder (der Schiffsbetreiber) und der Häfen. Aber die Hafenfirmen haben bis März 2022 nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Kollegen steuer- und sozialversicherungsfreie «Coronaprämien» zu bezahlen. Das macht zusätzlich sauer.
Der Druck, den die Preissteigerungen auf die Familien ausübt, und die zusätzlichen anderen Probleme haben eine hohe Streikbereitschaft und Mobilisierung verursacht. Für einen Arbeitskampf sind die Bedingungen günstig. Die sogenannten globalen Lieferketten haben sich als brüchig erwiesen. Eine weitere Unterbrechung tut nicht nur den Reedern und Hafenbetreibern weh, auch viele Industriebetriebe und Handelsketten würden jaulen.
Im Moment aber stehen die Hafenarbeiter gerade allein im Lohnkampf, die Stahltarifrunde von IG Metall ist eben mit einem beschämenden Ergebnis zu Ende gegangen. Metall- & Elektro- sowie die chemische Industrie folgen erst zum Ende des Jahres. Dabei wäre eine Ausweitung und ein branchenübergreifender Kampf in der jetzigen Situation so sinnvoll und notwendig…

Teile diesen Beitrag:
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.