Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 07/2022

Tausend Teilnehmende, kaum Berichterstattung
von Peter Nowak

Über Monate waren die Aktvist:innen der Kampagne Deutsche Wohnen & Co Enteignen (DWE) in Berlin in der Öffentlichkeit präsent. Mit Erfolg: Am 26.September 2021 stimmten weit über 50 Prozent der Berliner Wähler:innen für das Anliegen der Kampagne, große Wohnungskonzerne zu sozialisieren. Doch bisher steigen die Mieten auch in Berlin weiter. Aber Mitglieder der Kampagne sind nun Teil einer Kommission, die mindestens ein Jahr lang über die Art und Weise der Sozialisierung berät.

Am letzten Wochenende im Mai haben tausend Menschen aus ganz Deutschland und auch einige aus dem Ausland beraten, wie die Enteignungsinitiative, die auch über Berlin hinaus bei Mieteraktivist:innen viel Beachtung fand, weiter vorangetrieben werden kann.
Die Konferenz fällt in eine Zeit, in der die Initiative vor einem Dilemma steht. Die großen Erwartungen der Initiative stehen einer Phalanx aus Kapital, Bürokratie und Politikern wie dem Berliner Bausenator Andreas Geisel (SPD) gegenüber, die alles dafür tun wollen, um die Enteignungsinitiative ins Leere laufen zu lassen.
Auch die der LINKEN angehörige Berliner Justizsenatorin Lena Kreck machte wenig Hoffnung, dass sie und ihre Partei darauf viel Einfluss nehmen könnten. Denn für die in der Kommission zentralen Verfassungsfragen ist nicht Kreck, die auf der Konferenz sprach, sondern mit Andreas Geisel jener Politiker verantwortlich, der immer wie der deutlich macht, dass es ihm darum geht, die Forderungen des Volksbegehrens zu verhindern.
Die Stadtforscherin Lisa Vollmer entwarf ein realistisches Bild, als sie erklärte, dass der Euphorie nach dem großen Erfolg am 26.September schnell Ernüchterung folgte. Denn im neuen Senat seien jene Kräfte erstarkt, die in der Wohnungspolitik ihr Ohr wieder stärker an den Immobilienkonzernen als an den Mieter:innen hätten, weil für die Wohnungspolitik in Berlin wieder die SPD zuständig ist. Vollmer sagte, man dürfe sich nicht spalten lassen, und sah einen Erfolg darin, dass die Initiative radikale Forderungen nach Vergesellschaftung sachlich vermittelt und damit auch Menschen angesprochen hätte, die eine radikale Linke sonst eher abschreckt.
Nun fordern die aktivistischen Mitglieder wieder mehr und zuspitzende Aktionen, damit die Forderungen des Volksbegehrens nicht in der Senatsbürokratie zerrieben werden. Das wurde vor allem in den Arbeitsgruppen deutlich, in denen sich Mietrebellen aus Berlin über ihre Perspektiven austauschten. Auch wurde deutlich, dass viele Mieter:innen den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Verhinderung von Zwangsräumungen legen, aber auch über Besetzungen von Leerstand diskutieren. Isabella Rogner wiederholte, ohne diese vielen Mietaktivist:innen, die der Regisseur Matthias Coers bereits 2013 in dem Film Mietrebellen dokumentiert hat, hätte es nie ein Volksbegehren gegeben.
«Follow the Money», erklang es vom Podium, das Katalin Gennburg von der LINKEN moderierte. Hier wurde schnell klargestellt, dass der Immobilienmarkt ein Tummelplatz für organisierte Kriminalität und dubiose Kapitalflüsse aus autoritären Regimen ist – auch aus Russland.
Gabriela Keller erklärte, sie habe mit der Recherchearbeit begonnen, weil sie von den Geschichten der Mieter:innen, die verdrängt wer den, wegkommen wolle. Die Journalistin wollte den Fokus auf die dafür Verantwortlichen legen. Keller ist bei Correctiv beschäftigt und recherchiert über die Eigentumsverhältnisse in der Berliner Immobilienwirtschaft.
Christoph Trautvetter vom Netzwerk für Steuergerechtigkeit und Leiter des Projekts «Wem gehört die Stadt?» bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung zeigte die fantasievollen Steuervermeidungsstrategien auf, mit denen dem Fiskus auch im Immobiliensektor Millionenbeträge entgehen.
Trautvetter sieht in möglichst großer Transparenz eine Voraussetzung, um Gerechtigkeit herzustellen und auch über Enteignungen zu reden. Das fange schon bei den Grundbuchämtern an, die in Deutschland anders als in vielen anderen Ländern nicht öffentlich sind.
Trautvetter erinnerte daran, dass nicht nur der US-Bundesstaat Delaware als Steueroase gilt. Auch in Deutschland gibt es solche Steuervermeidungszonen, dazu gehört die brandenburgische Kleinstadt Zossen, wo viele Berliner Immobilienkonzerne ihre Briefkästen haben. Es waren die Mietrebell:innen, die das an die Öffentlichkeit gebracht haben.
Obwohl die Konferenz mit knapp tausend Teilnehmer:innen gut besucht war, blieb das Medienecho äußerst begrenzt. Initiativen, die das «Recht auf Eigentum» begrenzen wollen, werden nach wie vor ausgegrenzt, ignoriert oder verleumdet.

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