Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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Gemeingüter 1. September 2022

An den Rand notiert
von Rolf Euler

Aus der Wirtschaftsseite unserer Tageszeitung eines Tages Ende Juli: Klasse Zahlen für die Gewinne. Schlimme Zahlen für die sog. Sozialleistungsempfangenden. Also: Klassenzahlen – sie spiegeln unsere Klassengesellschaft.

– Samsung meldet eine Steigerung des Überschusses gegen das Vorjahresquartal um 15 Prozent auf über 8 Mrd. Euro.
– Der Ölkonzern Shell meldet einen Quartalsgewinn, der doppelt so hoch ist wie im Vorjahr: 11,5 Mrd. Dollar. Durch Aktienrückkauf (gleich noch mehr Gewinn für die Aktionäre) wird der Kurs weiter steigen.
– Volkswagen verdiente im ersten Halbjahr gut ein Viertel mehr als im Vorjahr: nach Steuern waren das 10,6 Mrd. Euro.
– Der Nestlé-Konzern, der keine Gewinnzahlen veröffentlicht, meldet starke Preissteigerungen im ersten Halbjahr 2022 und einen Umsatzanstieg von fast 10 Prozent auf rund 46 Mrd. Euro.
– Der Stellantis-Konzern, Autohersteller von Opel, Peugeot, Citroën, Fiat und Chrysler, erhöhte ebenfalls die Preise und steigerte den Umsatz um 17 Prozent auf 88 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahr.
– Der Container-Reeder Hapag-Lloyd steigert seine Gewinne um das Doppelte gegenüber Vorjahr. In 2021 lag der Gewinn bei 9,4 Mrd. Euro, das Siebenfache von 2020. Für 2022 werden 16–18 Mrd. Euro erwartet.

Auf einer anderen Seite derselben Zeitung werden die Probleme der Tafeln geschildert: immer mehr Kunden, immer weniger Lebensmittelspenden.
Die Inflationsrate, die schon im letzten Herbst bei über 5 Prozent lag, stieg in den ersten Monaten auf über 7 Prozent. Die Preissteigerungsrate bei Lebensmitteln beträgt allerdings schon 15 Prozent. Demgegenüber steht die Erhöhung des Hartz-IV-Regelsatzes um 3 Euro am 1.Januar. Und eine Einmalzahlung von 100 Euro als Ausgleich.
Die für Nahrungsmittel vorgesehenen Beträge im Hartz-Regelsatz betragen rund 5 Euro pro Tag – schon das ein unmöglich niedriger Betrag. Wie die gestiegenen Lebensmittelpreise damit aufgefangen werden sollen, dürfte selbst abgezockten Politikern schwerfallen zu erklären, deswegen versucht es der Arbeitsminister auch gar nicht. Eine Sozialdemokratie, die noch einen Rest von »sozialem Gewissen« hätte, hätte hier genug zu ändern. Spätestens im Winter hätte der Regelsatz um 50 Euro erhöht werden müssen. Aber die Menschen werden auf ein Grundeinkommen »irgendwann« vertröstet.
Der Finanzminister gefällt sich dagegen in der Polemik gegen Forderungen nach Besteuerung der Übergewinne – und feiert eine Galahochzeit auf Sylt.
Alles normal: Klassenzahlen.

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