Was tun, wenn der Strom ausfällt? – Eine Glosse
von Dieter Braeg
In Verfilzthofen wohnt Markus Öder mit seiner kleinen Familie. Die Eigenheimhypothek ist fast abbezahlt, Frau Öder hat den Halbtagsjob längst gekündigt und kümmert sich um die stramm nach konservativ bayerischen Grundsätzen erzogenen Enkel, die entweder Alphornblasunterricht oder Volkstanzkurse besuchen.
Die von der CSU – und ab und an kaum geduldeten Koalitionspartnern – erzeugte »bayerische Blauweißidylle« hat die Familie verinnerlicht. Sie schützt nicht nur Gipfelkreuze, sondern schmückt auch die Landschaft mit Sesselliften und Schneekanonen, während ein Windrad, genau wie Starkstromleitungen nur unterirdisch gebaut werden darf.
Familie Öder gehörte zu jenen, die eine »übliche« Meinung haben, entsprechend der konsumierten Medien, öffentlich rechtlich oder nicht, die von Smartphone über Facebook bis zur täglich erscheinenden Heimatzeitung im Besitz der Familie Kapfinger lag.
Nicht nur die »Freiefahrtfürfreiebürgerinnenbürgermetalität« bestimmt ihre Meinungseinfalt, die als Vielfalt bei Befragungen die Politik beeinflusst, auch ihre Sprache ist die übliche (»Mir hom nix gegan Auslända, oba…«).
An einem Abend, wie es bisher hunderte in der Familie gab, man sitzt vor dem Fernseher, die Rosenheim-Cops bringen einen der vielen Morde, die es dieser Stadt nie gegeben hatte. Da geschieht es:
Frau Öder: »Finsta is. Schau noch da Sicherung!«
Der mit höchsten PISA-Bewertungen geschulte HausVORstand weiß, wo der Sicherungskasten ist und konstatiert: »Alles in Ordnung« – ein Blick aus einem der Fenster lässt ihn allerdings vermelden: »Es ist überall finster, in ganz Verfilzthofen.«
Familie Öder sitzt, wie viele andere Bürgerinnen und Bürger im Dunkeln. Die Erkenntnis, dass der Strom aus der Steckdose kommt, hilft leider nicht zu erhellenden Gedanken. Die üblichen Medien der Volksverblödung sind ausgefallen, Heute, Tagesschau, Lanz & Co in die Finsternis, die anhält, verschwunden und nicht erreichbar um zu erfahren, was Sache ist – ohne Strom nix los! Dank eines bayerischen Ministerpräsidenten, der Gegner von Windkrafträdern und Stromtrassen war, dämmert es – Stromausfälle wird es öfter geben!
Ratgeber, nur bei Tageslicht lesbar, versagen. Das Buch Blackout mit dem Untertitel: »Morgen ist es zu spät« ist auch wenig hilfreich. Vorsorge muss getroffen werden. Das deutsche Volk schaltet die Hamstermentalität ein. Vorrat schaffen! Kerzen und Zündhölzer helfen wenig. Die Petroleumlampe samt Petroleum muss her – für’s noch nicht eingelagerte Tütensüppchen braucht es einen Spirituskocher samt Treibstoff. Klopapier ist genug eingelagert, dank Coronavorsorge. Ravioli in Dosen?
Bürgerliche Vorsorgepsychose nimmt überhand. Notgepäck wird besorgt. Was gibt es da noch im dahinschmelzenden Angebot? Von der Einsteigervariante bis zur fortgeschrittenen Vorsorgerei mit dem 100-Einzelprodukt-Survival-Kit muss man rasch zugreifen. Die Lieferzeiten aus China sind seit Corona mehr als unzuverlässig und könnten Großbürgertumleben kosten.
Familie Öder hat nie an ein Dynamo-Solarradio gedacht, die Mehl-Reis-Nudel-Zucker-Salz-Vorräte reichen knapp drei Tage und mit zwei mäßig leuchtenden Taschenlampen lassen sich kaum erhellende Ratschläge zur Stromausfallkrisenbewältigung lesen.
Als am nächsten Tag, bei Licht betrachtet, ganz ohne Dunkelheit – an fast allen Geschäften das Schild »AUSverkauft« zu lesen war, versank Deutschland in jener Stromlosigkeit, die den Spruch: »Die Politik deckt Verborgenes auf aus dem Dunkel, bringt es die Finsternis ans Licht?« ohne Antwort lässt.
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