Ein anderer CSD ist möglich
von Ravi T. Kühnel
Frankfurt, Christopher Street Day. Ein Umzug mit geschmückten Wägen diverser Firmen, Organisationen, Parteien. Von der lokalen Feuerwehr über Blackrock bis hin zur Union ist alles dabei. Kaum ein Wagen hat wirklich Bezug zu queeren Menschen. Sie arbeiten sogar teils gegen diese und deren Rechte. Sie sind hier, um sich und ihre angebliche Vielfalt zu präsentieren. Der Zug endet auf einem Platz, große Bühne, ringsherum überteuerte Fress- und Saufbuden. Die Gäste? Männergruppen, die sexistische Lieder grölen, Altersdurchschnitt 30 plus. Das ist kein CSD, das ist ein queeres Volksfest.
Hamburg bietet kein besseres Bild. Hier können zwar Teilnehmer:innen zwischen den Wagen mitlaufen, doch der CSD soll bewusst unpolitisch sein.
Duisburg. Jugendliche, die sich komplett mit Alkohol und Drogen abschießen. Die CDU, eine Partei die seit Jahrzehnten gegen queere Rechte kämpft, steht hier sogar auf der Bühne.
Das sind nur einige Beispiele, wie es teilweise auf deutschen CSDs zugeht. Veranstaltungen die so geplant sind, Menschen die sich so verhalten, schaden der Sache mehr als sie nutzen. Der CSD ist eine politische Demonstration, Teilnehmende sollten sich ihrer Geschichte bewusst sein. Dazu gehört, die Rechte, die wir erkämpft haben, zu feiern, Vielfalt zu zelebrieren. Jedoch sollten wir stets weiter für Gleichberechtigung, Akzeptanz und unsere Grundsätze kämpfen. Wir sollten uns fragen: Was ist das Bild, das wir vermitteln wollen? Eine Gruppe zugedröhnter bunter Menschen, die offen sexuelle Handlungen auf der Straße ausführen? Oder eine Bewegung, die alte Kämpfer:innen und neuen jungen Wind vereint und gemeinsam auf die Straße geht, um für das zu kämpfen, was uns noch immer fehlt?
Wie schaffen wir es, den CSD wieder zu politisieren, ihn zu entkommerzialisieren? Nehmen wir das Beispiel Kassel. Ein Demozug mit politischen Sprüchen, kämpferischen Reden. Keine Parteien, keine Firmen. Nach offiziellem Ende der Demonstration wurde auf der Wiese getanzt, gelacht, gesungen. Geschafft wurde dies, weil sich einerseits der kommerzielle CSD-Verein aus Kassel aufgelöst hat, aber andererseits – viel wichtiger – politisch interessierte und organisierte Einzelpersonen gezielt in die neu entstandene Organisation hineingegangen sind und sich dort aktiv engagiert haben. Das war in Kassel zwar ein Glücksfall, ist aber auch in anderen Städten möglich. Auch große kommerzielle CSD-Vereine kann man von innen heraus verändern. Das ist ein Kraftakt, aber welcher politischer Kampf ist das nicht?