Menschenrechtsorganisation Memorial erhält den Friedensnobelpreis
von Angela Klein
Der diesjährige Friedensnobelpreis ging an Menschenrechtsorganisationen aus Russland, Weißrussland und der Ukraine. Geehrt wurden die Gruppe Memorial, das Zentrum für bürgerliche Freiheiten aus der Ukraine und mit Ales Bjaljatzki den Gründer der Menschenrechtsorganisation Wjasna (Frühling«). Der 60jährige gründete diese Organisation 1996. Ihm drohen zur Zeit zwischen sieben und zehn Jahren Haft wegen angeblicher Steuerhinterziehung. Sieben Mitglieder der Organisation sind derzeit im Gefängnis.
Die älteste, größte und wichtigste Menschenrechtsorganisation Russlands, Memorial, wurde 1987 vom Physiker Andrej Sacharow gegründet, also zur Amtszeit des Reformers Gorbatschow, um in Moskau ein Denkmal für die Opfer des Stalinismus zu errichten. Ihre Hauptarbeit konzentrierte sich in den folgenden dreieinhalb Jahrzehnten auf die Dokumentation der Verbrechen des Stalinismus: Namenslisten der Opfer, Berichte von Überlebenden, Briefe politischer Häftlinge, Gegenstände aus sowjetischen Straflagern, zahlreiche Veröffentlichungen. »Diese Sammlung von unschätzbarem Wert ist nun in Gefahr, in die Hände derer zu geraten, die sich selbst in der Tradition der Täter sehen«, schrieb die FAZ einen Tag nach der Preisverleihung am 7.Oktober.
Seit Anfang der 90er Jahre dokumentierte Memorial auch Menschenrechtsverletzungen im nachsowjetischen Russland. Die Organisation führte Kampagnen für die Durchsetzung von Grundrechten und führte seit 2012 Listen politischer Gefangener. Sie war auch in den beiden Tschetschenienkriegen aktiv.
Memorial wurde vom russischen Justizministerium als »ausländischer Agent« bezeichnet und vordergründig verboten, weil die Organisation gegen die Verpflichtung verstoßen habe, diesen Status in allen öffentlichen Äußerungen kenntlich zu machen.
Diese typisch stalinistische Verdrehung und die Vormachtstellung des Sicherheitsapparats zeigen deutlich die Kontinuität, die das Regime Putin noch mit der stalinistischen Vergangenheit hat.
Memorial wurde Ende Dezember 2021 durch das Oberste Gericht in Moskau verboten, arbeitet informell aber teilweise weiter.
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