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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 11/2022

Regierungen drohen das Streikrecht einzuschränken
von Matthias Becker

In Frankreich und Großbritannien nehmen die Arbeitsniederlegungen gegen die Inflation zu. Die Regierungen wollen deshalb das Streikrecht einschränken.

»Die Regierung entscheidet sich für die Gewalt!« So reagierte die Gewerkschaft CGT am 11.Oktober auf die Ankündigung der französischen Regierung, Beschäftigte in zwei bestreikten Ölraffinerien zu zwingen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Die Premierministerin Elisabeth Borne hatte angekündigt, in den Arbeitskampf in den Ölraffineriedepots von Esso/Exxon und möglicherweise auch in den bei Total eingreifen zu wollen. Der Streik lief zu diesem Zeitpunkt bereits seit einigen Wochen und führte zu Engpässen bei den Tankstellen des Landes – teilweise mit stundenlangen Wartezeiten für die Kunden und rationierten Mengen von Benzin und Diesel. Die Regierung hatte bereits Teile ihrer sog. strategischen Reserve freigegeben, um die Versorgung mit Benzin zu verbessern.
Die Ankündigung der Regierung sollte den Druck auf die CGT erhöhen, einen neuen Tarif mit den Ölkonzernen abzuschließen. Die Gewerkschaften CFE-CGC und CFDT, bei denen ebenfalls Beschäftigte der Branche organisiert sind, hatten Anfang Oktober einer Lohnerhöhung von 6,5 Prozent für nächstes Jahr zugestimmt. Die CGT forderte dagegen 10 Prozent. Die Einmischung der Regierung in den Arbeitskampf führte dazu, dass sie zu einem eintägigen Generalstreik aufrief – mit Unterstützung der Mehrheit der französischen Linken, die Demonstrationen gegen die Teuerungen organisierte. Dabei geht es nicht nur um die steigenden Lebenshaltungskosten, sondern auch darum, dass die Macron-Regierung eine Umstrukturierung des Rentensystems plant.

Wegen der steigenden Lebenshaltungskosten werden Arbeitskämpfe in vielen Ländern Europas häufiger und härter. »Wir verdienen einen anständige Lohnerhöhung«, lautete die Überschrift eines Flugblatts, das Ölarbeiter aus dem schottischen Grangemouth im August verteilten. Die Inflation bedeute »einen realen Lohnverlust von mindestens zehn Prozent«. Die Aktionen fanden abseits der offiziellen und gewerkschaftlichen Kanäle statt. Sie wurden von formal selbständigen Auftragnehmern der Raffinerien, Installateuren und Elektrikern organisiert.
In zahlreichen Branchen wurde in Großbritannien seit dem Sommer gestreikt (siehe SoZ 10/2022). Diese Auseinandersetzungen waren nicht unbedingt erfolgreich, die Beschäftigten konnten in der Regel Reallohnverluste durch die Inflation lediglich eingrenzen.
Der inzwischen geschasste Finanzminister Kwasi Kwarteng kündigte daraufhin an, die Regierung werde »sicherstellen, dass Streiks nur ausgerufen werden können, wenn die Verhandlungen wirklich zusammengebrochen sind«. Streikende Gewerkschaftsmitglieder müssten über neue Angebote der Unternehmer abstimmen, unabhängig von der Einschätzung der Streikleitung. Der britische Gewerkschaftsverband TUC sprach von einem »Streikverbot durch die Hintertür«. Inzwischen ist es aber die Regierung, die »gegangen wurde«.

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