Tomatensuppe, Kartoffelbrei und allerlei Klebstoff
Ein Kommentar von Hanno Raußendorf
Seit Wochen tobt ein Sturm der Entrüstung durch die Medien. Aufgeregt wird über Tomatensuppe und Kartoffelbrei auf alten Ölschinken diskutiert – ob die Bilder dadurch gefährdet wurden und ob die von der letzten Generation so was dürfen. Ich hätte stattdessen lieber weiter über die Klimakatastrophe geredet.
Der Diskurs der Befürworter*innen lautet meist wie folgt:
Bislang hat die Klimabewegung erstens nichts erreicht. Deshalb muss sie nun zu militanteren Aktionsformen greifen. Zweitens ist Angesichts der Klimakatastrophe auch die Anwendung von Gewalt mehr als gerechtfertigt. Was ist schon ein altes Bild im Verhältnis zum Untergang ganzer Ökosysteme. Und drittens ist den Bildern ja nichts passiert.
Schon die Prämisse stimmt nicht. Die Klimabewegung hat in den vergangenen Jahren sehr viel erreicht. Haben die Herrschenden die ersten 15 Jahre nach Unterzeichnung der Klimarahmenkonvention noch weitestgehend mit Scheinmaßnahmen vertrödelt, so ist doch auch nicht zu übersehen, dass wir uns mittlerweile, wenn auch noch immer nicht annähernd schnell genug, auf einem Weg hin zur Klimaneutralität befinden. Das ist in ganz erheblichem Umfang das Verdienst der Klimabewegung.
Eine moralisierende Gewaltdebatte führt in die falschen Richtung. Natürlich verlieren auch Meisterwerke der Kunstgeschichte jede Bedeutung, angesichts des drohenden Untergangs der menschlichen Zivilisation und schon der Sänger Stoppok wusste, dass Gewalt keine Lösung ist – wenn man nur darüber redet. Viel entscheidender aber ist doch die Frage: Mit welchen Aktionsformen können wir die Klimawende voran treiben? Auch Ende Gelände und die Waldbesetzung im Hambi haben immer wieder und sorgfältig kalkuliert rechtliche Regeln überschritten. Das Ergebnis war eine breite Diskussion über die Beendigung der Braunkohleverstromung und deren erhebliche Beschleunigung. Bei der Besetzung eines Baggers oder eines vom Tagebau bedrohten Waldes oder Dorfes besteht aber ein innerer Zusammenhang zwischen Objekt und Ziel der Aktion. Der fehlt bei einem „Anschlag“ auf ein Bild von van Gogh oder Monet. Das erklärt die entsetzten Reaktionen – auch von weiten Teilen der klimabewegten Öffentlichkeit. Und es erklärt, warum gerade alle über die letzte Generation reden und nicht über das Klima.
Im Januar habe ich an der Strategiekonferenz der Klimabewegung teilgenommen und die Gewaltdebatte dort verfolgt. Sie bewegte sich fast ausschließlich entlang der oben beschriebenen drei Argumente. Was völlig fehlte, war eine Diskussion darüber, welche Formen von Gewalt nicht nur irgendwie zu rechtfertigen, sondern auch ein sinnvolles Mittel im Kampf um Mehrheiten für die schnelle Dekarbonisierung sein können. Noch ist tatsächlich kein gravierender Schaden entstanden, die Blockade einer Autobahnausfahrt in Berlin war anscheinend nicht Ursächlich für den Tod einer Radfahrerin. Hoffen wir, dass das so bleibt.
Hanno Raußendorf war bis Oktober Klimapolitischer Sprecher Der Linken in NRW
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