Ein Sieg der Lobbyisten
von Gerhard Klas
»Dass es so weiter geht, ist die Katastrophe«, schrieb der marxistische Philosoph Walter Benjamin mit Blick auf den Vormarsch der Faschisten Ende der 30er Jahre. Von der Klimakrise konnte er noch nichts wissen, aber seine Worte klingen angesichts der aktuellen Ergebnisse des Weltklimagipfels in Ägypten erstaunlich aktuell. Anders als Karl Marx sah er Revolutionen nicht als Lokomotive der Weltgeschichte, sondern als »Griff des Menschengeschlechts nach der Notbremse«.
Das Pariser Abkommen ist spätestens seit der COP27 Geschichte. Es gibt in der Abschlusserklärung zwar ein vages Bekenntnis zum schrittweisen Kohleausstieg, zu anderen fossilen Energieträgern wie Öl und Gas wird jedoch kein einziges Wort verloren. Die Ergebnisse tragen deutlich die Handschrift der größten »Delegation« auf der COP27 – den laut Berechnung der Umweltorganisation Global Witness 636 Lobbyisten der fossilen Brennstoffindustrie.
Das Ziel, die Erderhitzung unter 1,5 Grad zu halten, wird damit nicht mehr zu halten sein, sagen renommierte Wissenschaftler. Es wird unweigerlich zu Kipppunkten kommen, die Katastrophe angesichts der schwersten Krise der Menschheitsgeschichte ist also absehbar. Wie könnte eine Revolution als Notbremse aussehen?
Unter anderem wäre die Vergesellschaftung der Energiekonzerne eine wichtige Voraussetzung. Die seit dem Ukrainekrieg angehäuften Extragewinne stünden zur Verfügung, um ökologische und soziale Programme zu finanzieren. Lästige Lobbyisten und Aktionäre der Energiekonzerne wären ausgebremst. Die Energieproduktion würde nicht mehr hauptsächlich von den Gewinnerwartungen der Vorstände und Aktionäre bestimmt, sondern wäre eine öffentliche Dienstleistung, die der Versorgung der Menschen dient, demokratisch kontrolliert und ganz ohne Zwang Profite zu erzielen.
Allerdings müssten sich die politischen Kräfteverhältnisse deutlich verschieben, wenn Konzerne enteignet und ihre Fürsprecher in der Politik entmachtet werden sollen. Die Einstellungen der jüngeren Generationen lassen hoffen: Laut einer Spiegel-Umfrage sagen 40 Prozent der 16- bis 29jährigen, dass der Kapitalismus nicht mehr das beste Wirtschaftssystem ist. Offen bleibt die Frage: Kann diese Generation ihren Einfluss geltend machen, bevor sich das Zeitfenster zum Erhalt einer lebenswerten Welt schließt?
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