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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2023

Aktionsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft fordert Transparenz bei der Verpachtung
von Dorothee Sterz

»Öffentliches Land nach öffentlichen Interessen verpachten«, so lautet die Grundidee der Gemeinwohlverpachtungskampagne der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Unter diesem Motto haben Bauern und Bäuerinnen am 25.November im ganzen Bundesgebiet vor den Rathäusern ihrer Kommunen für eine Reform in der Vergabe öffentlicher Flächen demonstriert.
Traktoren rollten in die Städte und Gemeinden, aber auch Enten, Mistgabeln und Schubkarren voll Gemüse zeigten Ziele und Ursprung der Forderungen.

Die verschiedenen Regionen Deutschlands weisen sehr unterschiedliche Agrarstrukturen und auch ein unterschiedliches Maß der Flächenkonzentration auf. Aber ihnen allen ist gemeinsam, dass öffentliches Land intransparent verpachtet wird, neue Pachtverträge nicht ausgeschrieben, sondern zum großen Teil stumm verlängert werden, und dass das einzige Auswahlkriterium für die Festlegung des zukünftigen Pächters der Höchstpreis ist.
Dieser Umgang mit, wohlgemerkt, öffentlichem Land spitzt die ohnehin schon angespannte Lage auf dem Bodenmarkt zu. Er beschränkt den Zugang zu Land auf Betriebe, welche entweder langjährige Altpächter sind, oder Preise zahlen können, die weit über dem liegen, was durch rein landwirtschaftliche Gewinne erwirtschaftet werden kann.
Im Umkehrschluss heißt das, dass sich neu gründende Betriebe vom Bodenmarkt und somit von ihrer Arbeitsgrundlage ausgeschlossen werden, oder wegen ihrer kleineren Strukturen finanziell nicht konkurrieren können. Nun stellen aber genau diese Betriebe oft eine tragende Säule in der regionalen Wirtschaft und Gemeinschaft dar. Leistungen wie Arbeitsplätze pro Hektar, Biodiversität oder Tierwohl haben selten einen direkten monetären Gegenwert, aber einen hohen Wert für die Region.

Von Kommune zu Kommune
Philipp Maier ist Mitglied der AbL Bayern und Mitarbeiter bei Ecozept, ein deutsch-französisches Beratungs- und Forschungsunternehmen mit den Schwerpunkten nachhaltige Agrar- und Lebensmittelmärkte, biobasierte Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Landnutzung. Er bewertet die Situation so: »In meiner Arbeit entsteht häufig der Wunsch von Gemeinden und Städten, Flächen nach bestimmten Kriterien zu verpachten. Leider wird von kommunaler Ebene aber zu selten daran gerüttelt, welche Betriebe überhaupt gefragt werden. Hier spreche ich mich für mehr Transparenz aus, sowohl bei der Ausschreibung der Flächen, als auch bei der Kommunikation der Auswahlkriterien.«
An 30 verschiedenen Orten bundesweit setzen sich die Bäuerinnen und Bauern der AbL dafür ein, dass auch Städte und Kommunen ihren Handlungsspielraum anerkennen. Denn vielen Verwaltungen ist diese Stellschraube für die Förderung einer zukunftsfähigen Landwirtschaft nicht bewusst. In allen Gemeinden wurde bei der Aktion im November der AbL-Kriterienkatalog für eine gemeinwohlorientierte Verpachtung übergeben. Er ist praxisnah und für Verwaltungen einfach anwendbar. Mithilfe dieses Papiers können Betriebe nach verschiedenen Kriterien bewertet werden, wodurch zwischen den Pächter:innen ausgewählt werden kann.
Aus vielen Kommunen kamen sehr aufgeschlossene und positive Rückmeldungen zum Konzept. Die Stadt Erfurt hatte sich schon im Vorfeld der Aktion zu einer Reform ihrer Verpachtungskriterien bekannt. Laura Stranzl, Sprecherin der jungen AbL, meinte dazu: »Es ist gut, dass Erfurt hier vorangeht. Eine gemeinwohlorientierte, öffentliche Verpachtung verbessert die ansonsten aussichtslose Ausgangslage für bäuerliche, vielfältige und besonders für junge Betriebe. Sie erleichtert den Zugang zu Land für Menschen ohne einen familiären Hintergrund in der Landwirtschaft und stärkt die Direktvermarktung sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum.« Oberbürgermeister Bausewein freute sich über die Anerkennung: »Wir hoffen, dass wir in Erfurt mit gutem Beispiel vorangehen und andere Kommunen dazu animieren können, diesen Weg auch einzuschlagen.«

Auf Bundesebene
Nicht nur Kommunen und Städte, auch die Bundesregierung greift derzeit das Thema Verpachtung öffentlicher Flächen auf. Die Bundesministerien für Finanzen (BMF) und für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hatten im November mitgeteilt, die Flächen der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) in Zukunft, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, nicht weiter zu privatisieren. Stattdessen sollen nun nachhaltige Verpachtungskriterien entwickelt werden.
Das Thema ist präsent. Es drängt schon seit Jahren, die Verhältnisse auf dem Bodenmarkt zu regulieren. Die AbL hat mit ihrem Aktionstag viele Kommunen wachrütteln können, doch fängt die Arbeit gerade erst an. Denn für einen gerechten Zugang zu Land für Betriebe, die uns regional versorgen, Artenvielfalt erhalten und sozialverträglich wirtschaften, ist noch ein gutes Stück Weg zu gehen. Die AbL wird auch weiterhin eine wichtige Kraft in der widerständigen Bauernschaft sein.

Alle Infos zur AbL-Kampagne »Gemeinwohlverpachtung jetzt!« finden sich unter www.abl-mitteldeutschland.de/mitmachen/gemeinwohlkampagne. Die AbL-Petition zur Verpachtung öffentlicher Flächen auf Bundesebene findet sich auf https://weact.campact.de/petitions/vertragsbruch-stoppe-lindner-beim-ausverkauf-­offentlichen-eigentums.

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