Versuch einer marktwirtschaftlichen Lösung des Klimaproblems
von Angela Klein
Heiner Flassbeck u.a.: Atlas der Weltwirtschaft 2022/23. Frankfurt/M.: Westend, 2022. 130 S., 19,95 Euro
Dieser Atlas ist kein Buch. Es ist ein Nachschlagewerk, eine Faktensammlung, angereichert mit zahllosen, sorgfältig aufbereiteten Grafiken und Tabellen, die zentralen Themen und Fragestellungen zugeordnet sind. Über die Fakten hinaus und angelehnt an sie werden im Text Interpretationen angeboten, die man nicht teilen muss. Sie bieten dennoch wertvolle Einsichten, weil sie unsere unübersichtliche Welt nach Kriterien ordnen, die offengelegt werden. So findet man in diesem Atlas Hilfestellungen, sich in ihr zurechtzufinden.
Der Atlas kommt alle zwei Jahre heraus. Der erste erschien 2021 und stellte die vielfältigen und hochkomplexen Verflechtungen zwischen den Ländern und Regionen der Erde dar. Im jetzigen zweiten Atlas geht es um die Frage, woran die Weltwirtschaft krankt und worauf die massiven globalen Entwicklungsunterschiede zurückzuführen sind. Anhand der Daten soll gezeigt werden, wie sehr sich die Probleme, mit denen die einzelnen Länder kämpfen, gegenseitig bedingen – weshalb einzelstaatliche Lösungen unmöglich sind. »Nirgendwo können Missstände wirklich verstanden und beseitigt werden, ohne die Rückwirkungen der Entscheidungen und Handlungen in einem Bereich auf alle anderen mit ins Bild zu nehmen«, heißt es im Vorwort.
Der neue Atlas geht Fragen nach wie: Warum sind die Investitionen schwach? Warum muss der Staat sich verschulden? Warum ist Aufholen durch Handel schwer? Kommt ein Zeitalter der Inflation? u.a. Wir wollen hier nur eine Frage herausgreifen: Warum kommt der Klimaschutz nicht voran? Ein Blick auf die Grafiken zeigt: »Der gute Wille eines einzelnen Landes reicht nicht aus, um das System als Ganzes in die gewünschte Richtung zu bewegen. Sparen ganze Länder fossile Energie ein, sinkt die weltweite Nachfrage. Bei unverändertem Rohstoffangebot fällt dann der Weltmarktpreis, was wiederum die Nachfrage anderer Länder anregt, die nicht zu der Gruppe gehören, die sich auf die Senkung des Verbrauchs fossiler Energien verständigt hat.«
Alternativen
Wie könnte nun eine globale und wirksame Transformation der Weltwirtschaft weg von klimaschädlichen hin zu erneuerbaren Energieträgern aussehen, die diesem Zusammenhang Rechnung trägt?
Die Grafiken über Produktion und Verbrauch fossiler Energien der 16 wichtigsten Länder und Ländergruppen zeigen: Beides ist seit dem Jahr 2000 um rund 50 Prozent gestiegen, der Anteil der fossilen Energien am gesamten Energieverbrauch liegt unverändert bei 81 Prozent. Nur in den USA und in China halten sich Energieproduktion und -verbrauch einigermaßen die Waage. Bei den anderen Ländern klaffen sie massiv auseinander. »Das gibt dem Problem der globalen Verringerung der Emissionen von Treibhausgasen die internationale Dimension.«
Der größte Teil des Handels mit fossilen Energien findet zwischen China, USA, den Golfstaaten, Russland und der EU statt. Ohne Einbezug dieser Fünf bleiben Klimaschutzmaßnahmen erfolglos. »Ein spürbarer Nachfragerückgang bei den großen Importeuren fossiler Energieträger zugunsten erneuerbarer Energien bewirkt nämlich in erster Linie eine Preissenkung auf dem globalen Markt, wenn er nicht parallel begleitet wird von einer mindestens ebenso großen Reduktion des fossilen Angebots. Dass sich die Staaten, die bisher mit dem Export fossiler Rohstoffe Geld verdienen, zu einer Angebotsreduktion bereitfinden, wird jedoch umso unwahrscheinlicher, je ärmer und exportabhängiger sie sind.«
Hinzu kommt ein weiteres Problem. Die Welt ist gespalten in einen reichen Teil, der den Ausbau der Erneuerbaren bestenfalls allmählich in Angriff nimmt, und einen armen Teil, der noch weit davon entfernt ist, energiesparende Spitzentechnologie in der Landwirtschaft, der Industrie, im Bausektor oder im Verkehrswesen einsetzen zu können. Dazu fehlen ihm sowohl die finanziellen Mittel als auch das Knowhow gut ausgebildeter Fachkräfte.
Der Atlas zieht daraus die Schlussfolgerung: »Die Nachfrage nach fossilen Rohstoffen wird dann dauerhaft sinken und zu langfristigen technologischen Umstellungen auf klimaneutrale Produktionsprozesse und Konsummuster führen, wenn der Preis für diese Rohstoffe relativ zu allen anderen Preisen steigt, und zwar vorhersehbar, gleichmäßig und zügig… Dabei müssen die verschiedenen Wohlstandsniveaus berücksichtigt werden, und zwar durch subjektbezogene Umverteilung sowohl innerhalb von Ländern als auch über die Grenzen hinweg.«
Er plädiert für eine klare Vereinbarung zwischen allen Anbietern weltweit, das Gesamtangebot an fossilen Energien parallel zum Nachfragerückgang schrittweise zu senken und gleichzeitig deren Preis anzuheben, damit für die Energieunternehmen ein Anreiz besteht, ihr Geschäftsmodell umzustellen.
In Anbetracht der Ergebnisse beim COP27 ist dies wohl ein frommer Wunsch.
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