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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2023

Ein Vorkämpfer der schwedischen Linken
von Hermann Dierkes

Göte Kildén war viele Jahre lang kämpferischer Sprecher der gewerkschaftlichen Opposition in den Volvo-Lkw-Werken bei Göteborg und ein Kind der weltweiten Zeitenwende der 60er Jahre: mit neuen Emanzipationsbewegungen, dem Mai 1968 in Frankreich, dem vietnamesischen Befreiungskrieg, der portugiesischen Nelkenrevolution und der wachsender Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse. Ab 1969 zählte Göte zu den Mitbegründern der schwedischen Sektion der IV.Internationale. Auch als Rentner und bis an sein Lebensende blieb er ein überzeugter und engagierter revolutionärer Sozialist. Er konnte nicht nur austeilen, sondern auch einstecken, vor allem den Tod seiner Lebensgefährtin Karin im Jahr 2016, mit der er 38 Jahre zusammen war.

Zwischen 1973 und 1991 war er Parteisprecher der Gruppierung, die nach mehreren Namensänderungen als Sozialistische Partei auftrat. Göte war auch lange Zeit Chefredakteur ihrer Wochenzeitung Internationalen, die bis heute existiert. Kurz nach ihrem 50jährigen Jubiläum im November 2019 trat die SP der schwedischen Linkspartei (Vänsterpartiet) bei, blieb aber als organisierte Strömung (Sozialistische Politik) zusammen und spielt seitdem eine wichtige Rolle auf dem linken Flügel der Partei.
Als er 1978 bei Volvo anfing und dort 25 Jahre blieb, wurde er schnell zu einem Vorkämpfer in einem der seltenen spontanen Streiks um Entgelterhöhungen und zahlreiche Beschwerden. Schnell wurde er unter großen Teilen der Belegschaft bekannt und fand ihre Wertschätzung. Die dortige Metallgewerkschaft wurde fast vollständig von lammfrommen Sozialdemokraten beherrscht. Wer nicht das Parteibuch hatte, konnte kaum Vertrauensperson werden. Ab Mitte der 70er Jahre entstand eine oppositionelle Gewerkschaftsströmung, teils aus der Zusammenarbeit bunter Linksgruppen, die seinerzeit florierten, aber mit zunehmender Unterstützung durch die Arbeitskollegen.
Lars Henriksson, ebenfalls einer der bekannten Volvo-Gewerkschafter aus Götes Generation, erzählte mir einmal, wie er Göte aus Anlass von Gewerkschaftswahlen erlebt hatte: »Er konnte sich förmlich zerreissen.« Spektakulär war schließlich das Ergebnis der Gewerkschaftswahlen von 1979, zu der mehrere zehntausend Gewerkschafter bei Volvo aufgerufen waren. Die Oppositionsliste, die mit eigenem Wahlzettel Personenwahl ermöglichte, verfehlte mit über 48 Prozent nur knapp die Mehrheit gegen die sozialdemokratische, geschlossene Liste.
Die Opposition blieb allerdings mehrere Jahrzehnte lang mehrheitlich im Werk Lundby, wo Göte Kildén treibende Kraft und Sprecher war. Die gewerkschaftliche Arbeit seiner Parteigenossen war beispielgebend, auch in weiteren Volvo-Werken oder bei Saab. Die gegnerische Sozialdemokratie mit ihrem ständigen Versöhnungs- und Kapitulantenkurs registrierte dies mit Sorge. Der Einfluss der »Trotzkisten« war sogar Thema im Parteivorstand und man beriet Gegenmaßnahmen. Selbst der seinerzeitige Premier Olof Palme warnte im Parteivorstand vor der gewerkschaftlichen Opposition bei Volvo« – und fragte 1985 anlässlich eines drohenden Streiks bei Volvo bang: »Wird ›Grynet‹ (der damalige Volvo-Chef Gyllenhammar) damit fertig?«
Auch außerbetrieblich war Göte unerhört aktiv und richtungweisend bei vielen politischen Themen, so in der Volksbewegung gegen Atomkraft, und auch international unterwegs. Er war literarisch und kulturell interessiert, Naturfreund und kochte gern. Dabei ein unglaublich guter Redner, ein schlagfertiger Diskutant, begabter Schriftsteller und Organisator. Ein geplantes Interview mit Göte für ein Buchprojekt über die Arbeit der gewerkschaftlichen Linken bei Volvo ist leider nicht mehr zustande gekommen. Persönlichkeiten wie er fehlen heute, wo die Aussichten für die Linke nicht zum Besten stehen.

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