Am Gesundheitswesen wird gespart, Konzerne erhalten Milliardensubventionen
dokumentiert
Die Lohnschlacht, die derzeit im National Health Service (NHS) entbrennt, ist aus zwei Gründen von zentraler Bedeutung. Sie betrifft sehr viele Beschäftigte: Der NHS ist mit 1,6 Millionen Beschäftigten bei weitem der größte Arbeitgeber in Großbritannien und sogar einer der größten weltweit. Beim aktuellen Lohnkampf geht es vor allem auch darum, den NHS als frei zugänglichen öffentlichen Dienst für alle zu retten bzw. wieder herzustellen.
Kürzungen der Reallöhne, erhöhter Stress am Arbeitsplatz und fast drei Jahre zusätzliche Belastung durch Covid haben Spuren hinterlassen: beim NHS sind allein in England 130000 Stellen unbesetzt.
Es fehlen 12 Prozent der Krankenschwestern und 7 Prozent der Ärzte, die eigentlich notwendig wären. In anderen Bereichen der Gesundheitsversorgung gibt es mindestens ebenso schwere Defizite: bei den sozialen Dienste fehlen 165000 Beschäftigte, in Gebäude und Ausrüstung wurde viel zu wenig investiert. Die Folgen sind gravierend. Lange Wartezeiten sind selbst bei der Notfallversorgung an der Tagesordnung: Krankenwagen parken vor den Krankenhäusern, bis die Patienten eingeliefert werden, und stehen oft nicht zur Verfügung, um zum nächsten Notfall zu fahren. Die Forderung nach einem angemessenen Lohn für die Beschäftigten des NHS und des Pflegepersonals, einer Erhöhung des NHS-Budgets und der Rücknahme des Privatisierungsprozesses innerhalb des NHS betrifft nicht nur die Beschäftigten des NHS, sondern alle Patient:innen, die sich keine private Versorgung leisten können.
Der Reichtum auf der anderen Seite
Die Regierung behauptet, sie habe keine Mittel, um die Beschäftigten des NHS besser zu bezahlen. Aber die Gehälter der Topmanager sind bis 2022 um 23 Prozent gestiegen. Der Markt für »Luxusgüter« (Uhren, Schmuck, Luxuskleidung usw.) ist im ersten Halbjahr 2022 um etwa 20 Prozent gewachsen.
Im nächsten Jahr gibt die Regierung 100 Milliarden Pfund (fast so viel wie der Gesamthaushalt des NHS England) für den Schuldendienst an Finanzkonzerne aus, die Staatsanleihen (Schuldscheine) halten. Weitere 6,5 Milliarden Pfund gehen an den Konzern Bulb, den eigentlich bankrotten Anbieter von erneuerbaren Energien – eine Firma, in die spekulative Firmen wie DST Global und Magnetar Capital investiert haben. Weitere 60 Milliarden Pfund zahlt die Regierung bis April 2023 für ein sog. Energieentlastungsprogramm für Privathaushalte, das nicht einmal den Ärmsten hilft, aber den vielen Energieunternehmen große Profite sichert und nächstes Jahr vielleicht sogar auf 170 Milliarden Pfund erhöht wird.
Die Regierung weigert sich, Reichtum zu besteuern oder Kapitalgewinne mit demselben Satz wie Lohneinkommen zu besteuern. Potenzielle Ressourcen sind also reichlich vorhanden. Die Frage ist nur, wer sie in die Hände bekommt.
Die ganze Streikwelle ist eine Klassenschlacht. Wird die Klasse der Profiteure im Zuge der Covid-Einschränkungen in der Lage sein, die Arbeiterklasse weiter auszupressen und auszubeuten und die öffentlichen Dienste zu verarmen? Oder wird die Arbeiterklasse in der Lage sein, eine neue solidarische Mobilisierung zu schmieden, indem sie die Ärmsten unterstützt, die Arbeitsbedingungen verteidigt und verbessert, die öffentlichen Dienste wiederherstellt und uns in eine Macht verwandelt, die die Profiteure zurückdrängen kann?