Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 01/2023

Klima schützen ist kein Verbrechen
von Gerhard Klas

»Razzia: Türen aufgebrochen bei fossiler Lobby und Regierenden. Natürlich nicht«, titelte ironisch die Letzte Generation bei Twitter, als Mitte Dezember elf Wohnungen ihrer Mitstreiter:innen von der Polizei durchsucht wurden. Offensichtlich sollten die Hausdurchsuchungen den Eindruck erwecken, die Letzte Generation sei ebenso gefährlich wie die rechtsradikalen Reichsbürger, gegen die es eine Woche zuvor eine bundesweite Razzia gab. Das ist ebenso absurd wie die Begründung der Hausdurchsuchungen: Verdacht auf Gründung einer kriminellen Vereinigung.

9-Euro-Ticket und Tempo 100 auf Autobahnen, dafür trainieren Lehrer, Schüler, Studierende, Eltern, Großeltern, Kirchenmusikerinnen – kurzum Durchschnittsbürger in Kindertagesstätten für ihre Aktionen. Und kleben sich dann mit Sekundenkleber auf Straßen fest. Zwei bis drei Stunden braucht die Polizei in der Regel, um die Straßenblockaden zu räumen. Die Auswirkungen sind nicht außergewöhnlich, Staus prägen den Alltag der meisten Autofahrer:innen in Deutschland. Es gehört eine gehörige Portion Aberwitz dazu, sie als Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu deklarieren. Wäre das tatsächlich der Fall, müsste die Bundesregierung konsequenterweise eine Obergrenze für die Anzahl zugelassener Pkw einführen.
Viele Politiker und die ausführende Staatsanwaltschaft versuchen, mit verbaler Hetze und dieser Razzia ihre Unfähigkeit zu verdecken, das Klima effektiv zu schützen und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2021 umzusetzen, das den Klimaschutz zum Verfassungsziel erklärt hat. Die Letzte Generation dürfte damit die erste kriminelle Vereinigung in der Geschichte sein, deren Ziel es ist, die Regierung an ihre Verfassungstreue zu erinnern.
Mit immer höheren Geldstrafen und Präventivhaft dreht die Politik an der Eskalationsschraube. CDU Chef Merz will mit der AfD gleichziehen und fordert sogar ein Verbot der Letzten Generation. Die bundesdeutsche Politik befindet sich im Trend: Viele sogenannte demokratische Staaten gehen immer härter gegen Klimaschützer:innen vor, Haftstrafen für zivilen Ungehorsam gab es schon in Frankreich und Großbritannien, in Australien muss eine Aktivistin sogar 15 Monate ins Gefängnis, weil sie eine einzige Fahrbahn einer mehrspurigen Straße blockiert hat.
Die Aktivist:innen der Letzten Generation und anderen Teilen der Klimabewegung sind weder Terrorist:innen noch kriminelle Vereinigung – ebensowenig wie die Frauen im Iran, die Arbeiter:innen in China oder die historische Arbeiter- und Frauenbewegung. Sie sind vielmehr die Vorboten einer notwendigen und tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderung, für die nicht mehr viel Zeit bleibt.

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