von Thadeus Pato, Lagos
Nach acht Jahren und zwei Amtsperioden tritt der amtierende Präsident Muhammad Buhari ab. Er war in den achtziger Jahren kurzzeitig Militärdiktator gewesen, bevor er von eben diesem Militär gestürzt wurde und im Gefängnis landete. Bei der jetzt am 25.2. anstehenden Neuwahl steht zu befürchten, dass die Lage in dem von Bürgerkrieg, Kriminalität und Massenarmut gebeutelten Land sich nicht zum Besseren ändern wird – eher im Gegenteil.
Nahe dem Flughafen Lagos, im Stadtteil Oshodi, liegt in einer unscheinbaren Seitenstrasse das kleine Akima-Hotel. Besitzer ist ein in Lagos nicht ganz unbekannter Mann: Musiliu Akinsanya, besser bekannt unter seinem Pseudonym MC Oluomo. Unten im Hotel ist eine Bar, in der in der Vergangenheit auch schon mal Stripperinnen auftraten, im dritten Stock ein sog. Club, besser eine HipHop-Disco, die von Donnerstag bis Sonntag vorwiegend von Prostituierten und area boys frequentiert wird. Bis letztes Jahr war Ex-Busfahrer und area boy MC, wie er sich gern nennen lässt, Vorsitzender der einflussreichen Gewerkschaft der Transportarbeiter in Lagos, dann wurde er wegen diverser Unregelmässigkeiten von der nationalen Leitung abgesetzt und das Lagos-Chapter der Gewerkschaft suspendiert – allerdings wurde er wundersamerweise postwendend vom Gouverneur des Bundesstaates Lagos auf den neu geschaffenen Posten eines Chefs des Lagos Parks and Garages Committee befördert. Allgemein gilt MC als der Anführer und reichste der„area boys“ von Lagos und war in zahlreiche Skandale verwickelt.
Was hat das mit den Wahlen zu tun?
Unter den Präsidentschaftskandidaten sind eigentlich nur drei einigermaßen aussichtsreich:
Zuvörderst zu nennen ist Bola Tinubu, der frühere Gouverneur von Lagos, der als der „Pate“ von Lagos und des APC, der Partei des amtierenden Präsidenten Buhari, gilt – ohne seine Unterstützung wird weder jemand Gouverneur von Lagos noch Kandidat für den APC. Dieses Mal tritt er nun selber an. Bei Tinubu handelt es sich um einen Kriminellen, der in den USA eine Ausbildung als Buchhalter machte und dort jahrelang als bescheidener Angestellter in einer Bank arbeitete. Das FBI war dann hinter ihm her und ermittelte wegen Geldwäsche für nigerianische Drogenhändler gegen ihn. Er kehrte nach Nigeria zurück und investierte sein in den USA zusammengerafftes Geld, bis er sich entschloss, in die Politik zu wechseln. Besagter MC Oluomo ist sein enger Verbündeter und sorgte in der Vergangenheit dafür, dass Tinubu den Rückhalt der area boys bekam. Dabei handelt es sich um lose, stadtviertelbezogene Organisationen der unzähligen arbeitslosen Jugendlichen, die in alle Arten von Internet- und Strassenkriminalität verwickelt sind – vom Diebstahl über Strassenraub und Schutzgelderpressung bis hin zum Auftragsmord. Sie dienen Tinubu im Wahlkampf als – bezahlte – fünfte Kolonne. Und MCs neue Funktion spielt dabei eine große Rolle: Sein Komitee hat beantragt, sämtliche Transporte der Wahlunterlagen übertragen zu bekommen…
Dann ist da noch der ehemalige Vizepräsident des ebenfalls zuvor als Militärdiktator amtierenden Olusegun Obasanjo von der PDP, der zweiten großen Partei neben dem APC, die vor Buhari und nach Obasanjo mit Goodluck Jonathan den Präsidenten stellte. Atiku Abubakar ist ein steinreicher Geschäftsmann, dem unter anderem eine Ölfirma gehört und der den xten Anlauf unternimmt, Präsident zu werden. Korruption in großem Stil wurde ihm ebenfalls nachgesagt, was er heftig bestreitet.
Der interessanteste, wenn auch angesichts der eben genannten finanziellen und politischen Schwergewichte weniger aussichtsreiche Kandidat ist der frühere Gouverneur des Bundesstaates Anambra, Peter Obi. Insbesondere die jüngeren Wähler sind die ewig gleichen politischen Dinosaurier und ihre Korruption leid, und so hat sich um Obi ein regelrechter Hype, insbesondere in den in Nigeria höchst frequentierten sozialen Medien entwickelt. Peter Obi, dessen Renommee unter anderem darauf beruht, dass er seit Menschengedenken der erste Gouverneur war, der seinem Nachfolger keine leere Staatskasse hinterließ, und der während seiner Amtszeit konkrete Verbesserungen vor allem im sozialen und Bildungsbereich durchsetzte, kandidiert für die Labour Party, zu der er zu diesem Zweck von der PDP übergetreten ist. (Nigerianische Politiker wechseln die Partei wie andere die Hemden). Aber auch Obi hat so seine dunklen Seiten – so wurden dem durch Handel reich gewordenen Geschäftsmann diverse offshore-Konten nachgewiesen.
Eigentlich ist es in dem Vielvölkerstaat Nigeria ein ungeschriebenes Gesetz, dass die Präsidentschaft jeweils zwischen einem muslimischen Kandidaten aus dem Norden und einem christlichen aus dem Süden wechseln sollte. Dieses Mal ist das anders: Der Yoruba Tinubu ist zwar aus dem Süden, aber ebenso wie der aus dem Norden stammende Haussa Abubakar Muslim, während der Igbo Obi Christ und seit dem sog. Biafrakrieg der erste Igbo mit gewissen Aussichten auf einen Sieg ist.
Was sind die Aussichten?
Nachdem Buhari praktisch keines seiner seinerzeitigen Wahlversprechen eingelöst hat – so sollte beispielsweise jeder Nigerianer mindestens eine Mahlzeit am Tag bekommen und der Bürgerkrieg im Norden beendet werden – steht der zukünftige Präsident vor den gleichen Herausforderungen wie er bei seinem Amtsantritt. Unter Tinubu oder Abubakar wird die übliche Selbstbedienungsmentalität in der nigerianischen Politik fröhlich weitergehen – sollte Obi tatsächlich gewinnen, wird das Parlament ihn sicherlich weitgehend blockieren.
Aber einen solchen Sieg werden Tinubu und seine Hilfstruppen von MC Oluomo zu verhindern wissen…