Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

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PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 02/2023

Zum Beitrag ›Stiftung oder Vergesellschaftung?‹, SoZ 1/2023
von Michael Heldt

Für bürgerliche Regierungen gehört Verstaatlichung zum guten Ton in der Krise. Durch den stetig laufenden Wirtschaftskrieg, der dem Imperialismus innewohnt, müssen Konzerne »gerettet« werden – auf Kosten der Masse der Steuerzahler:innen und zum Schutz der Profite der Monopole.

Der internationale Konkurrenzkampf ist vergesellschaftet. Wer Steuern zahlt, darf sich durchaus rühmen, einen wesentlichen Beitrag zur Rettung des Systems beigetragen zu haben. Nicht immer läuft es wie bei der Lufthansa. Hier konnte der deutsche Staat beim Ausstieg unterm Strich 760 Millionen Gewinn verzeichnen. Die Commerzbank hingegen ist seit der »Rettung« 2008 ein Verlustgeschäft erster Güte.
Diese und andere Beispiele machen klar, wo der Hase lang läuft. Das ist nicht nur im Kampf mit dem Gegner in den Konzernzentralen und den staatlichen Institutionen, den Gerichten und Netzwerken eine entscheidende Erkenntnis. Viel wichtiger sind die Spuren dieser Praktiken von heutiger Mitbestimmung und Vergesellschaftung im Denken und Handeln der Kolleg:innen. Hier, in den Köpfen, führen wir die Vorgefechte, müssen überzeugend an Erfahrungen anknüpfen und glaubhafte Perspektiven aufzeigen.

Nicht auf halber Strecke stehen bleiben
Sozialökologische Unternehmensziele schreibt sich heute wohl jedes mittelständische Unternehmen bis hin zu den Monopolen auf die Fahnen. Wir sollten uns also klar und deutlich ausdrücken. Notwendig ist, sich abzugrenzen von Perspektiven, die die Machtverhältnisse nicht in den Mittelpunkt stellen, sondern pragmatisch und vernünftig wirken. Kol­leg:innen haben vielfältige Erfahrungen mit scheindemokratischen Methoden. Betriebliche Interessenvertretungen und erst recht »ihre« Gewerkschaften werden als Schmiere für die Profitmaximierung und als Moderator:innen zwischen Kapital und Arbeit wahrgenommen.
Vor diesem Erfahrungshintergrund ist die Betonung der Unmöglichkeit, einen einzelnen Betrieb, eine einzelne Industrie zu demokratisieren und vergesellschaften die Grundlage für die Herausbildung eines neues Selbstbewusstseins der Arbeiter:innenbewegung. Genoss:innen können haarklein (und zurecht) erklären, warum der Sozialismus in einem Land keine Perspektive sein kann, keine reale Grundlage für Kämpfe in einer internationalisierten Welt und warum sich der Kapitalismus zwanghaft immer weitere Teile der gesellschaftlichen Aufgaben einverleiben muss. Dieselben Genoss:innen wundern sich, dass es beim Stand der Entwicklung der Arbeiter:innenbewegung und den Methoden ihres verbürokratisierten Anteils, nicht überzeugend ist, einen Teil der Produktion aus dieser Logik zu entkoppeln.
Nehmen wir an, es sei möglich, dies umzusetzen. Was wäre damit bewiesen? Dass es einen sachten, unblutigen Übergang zur Umwälzung der Machtverhältnisse geben kann? Dass Sozialismus durch radikale Reformen erreichbar ist?
Die Selbsttätigkeit und Selbstorganisation der Arbeiter:innen in den imperialistischen Ländern reicht heute nicht einmal dazu, ihre ureigenen Organisationen zu demokratisieren, sei es betrieblich oder gewerkschaftlich/gesamtgesellschaftlich. Aber in den Bastionen der Macht, die mit allen Wassern gewaschen sind, in Staat und Industrie soll dies möglich sein?
Im besten Fall liegt dem eine defensive Verarbeitung der Erfahrungen des 20.Jahrhunderts zugrunde. Im schlimmsten Fall will man die Kolleg:innen an der Nase herumführen, ist sich der Problematik durchaus bewusst, meint aber, die Arbeiter:innen didaktisch auf den Konflikt einstimmen zu müssen, der sich damit ergibt. Beides wäre nicht richtig, letzteres wäre schäbig.
Offen und ehrlich die Probleme benennen, die revolutionäre Perspektiven heute haben, und im gleichen Moment Tageskämpfe führen, um den Kampf um die Macht vorzubereiten, ist alternativlos. Da braucht es nicht Illusionen, sondern mehr Ehrlichkeit.

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