Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
Nur Online PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2023

Anmerkungen zu einem alten Streit zwischen Klassenkämpfern und Triple-Oppression-VertreterInnen, der nun wieder aufgeploppt ist.
von Gerhard Hanloser

Da mag man denken, linke Identitätspolitik sei Thema einer neuen Szene, die sich queer, woke, aktivistisch zu sich und der Welt verhält – und wird unmittelbar konfrontiert mit einer antiquiert wirkenden Debatte, die auf den bundesrepublikanischen Linksradikalismus der frühen 90er Jahre verweist. Es geht um ein Vorwort aus der Feder von Christian Frings, der als David Harvey-Übersetzer und kundiger Teamer der Rosa-Luxemburg-Marxlesekreise bekannt ist, und der den breit rezipierten Sammelband von Eleonora Roldán Mendívil und Bafta Sarbo „Diversität der Ausbeutung“ (Dietz Verlag 2022) mit einem Vorwort bedachte.

Darin verweist er auf einen Text, der im Jahre 2022 nur noch eine handvoll Linker bekannt ist, nämlich das im Januar 1991 fertig gestellte Papier „Drei zu Eins – Klassenwiderspruch, Rassismus und Sexismus“ von Klaus Viehmann und GenossInnen. (1) Klaus Viehmann saß zu dieser Zeit wegen Mitgliedschaft in der Bewegung 2. Juni im Knast Werl, der Text wurde unter erschwerten Bedingungen des Hochsicherheitsgefängnisses und seiner Kontrollen erstellt.

Christian Frings nimmt in dem aktuellen Vorwort zu einem Buch, das sich auch als Streitschrift gegen den „liberalen Antirassismus“ sieht, eine ältere Kritik an dem Papier wieder auf. Es ist die Kritik der operaistisch geprägten, autonom-klassenkämpferischen Zeitschrift Wildcat, die aus der sogenannten Karlsruher Stadtzeitung hervorging und in der Christian Frings selbst lange Zeit mitarbeitete. „Drei zu Eins. Klassenwiderspruch, Rassismus und Sexismus von Klaus Viehmann u.a., das 1990 einige Diskussionen auslöste (…), führte (…) den Begriff der triple oppression ein, als von Intersektionalität noch nicht die Rede war. Es löste damit schon damals die Frage des Antirassismus und Antisexismus aus ihrem Zusammenhang mit dem Kapitalismus heraus und bot der Szene nur noch die Perspektive einer moralischen Selbstvergewisserung“, schreibt Christian Frings und zitiert in dem Kontext aus der Wildcat Nr. 57/1992 , wonach „der Text die Tendenzen in der autonomen Linken verstärkt“ habe, „sich in lauter Mikrowidersprüche zu verrennen“.

Ich habe in meinem Aufsatz zu „Identitätspolitik und linke Geschichte. Ein Versuch“ auch in einem Absatz über Rassismus an die Drei-zu-Eins-Debatte erinnert, vor allem, weil der damalige Ansatz sich meines Erachtens so schreiend von heutigen Debatten unterscheidet: „Ebenso wie die Kritik an Sexismus und Patriarchat waren die Betonung des Fortwirkens eines Rassismus – nicht nur, aber auch in der Linken – beziehungsweise die Skandalisierung der Nicht-Beachtung und Unterrezeption rassistischer Strukturen ein theoretischer wie praktischer Fortschritt. Nicht nur konnten hilflos unterkomplexe Begriffe wie 'Ausländerfeindlichkeit' und 'Diskriminierung' abgelöst werden, es konnte auch die fundamentale Bedeutung einer rassistischen Ausbeutungs- und sozialen Hierarchisierungsstruktur der metropolitanen Wohlstandstaaten besser erfasst werden. Auch die Dominanz durch weiße Privilegien, von kleinfamiliärer Normalität und der in die Staatsbürgerlichkeit inkludierten 'weißen' Arbeiterklasse konnten damit sichtbar gemacht werden. 'Rassismus', so schrieb ein linkes Kollektiv in den frühen 90er Jahren, das ältere Texte der meist britischen Debatte veröffentlichte, ist ein 'militanter Begriff, (…) der eine Systematik von Ausbeutung und Unterdrückung beschreibt und sie in einen globalen, imperialistischen Kontext setzt.' Von hier aus eröffnete sich eine breite Debatte um dreifache Unterdrückung (triple oppression durch Kapitalismus, Patriarchat und Rassismus). Jenseits dieser fundamentaloppositionellen Debatten, die heutzutage modernisiert unter dem Stichwort "Intersektionalität" geführt werden, und abseits ganz handfester Bewegungen gegen Polizeigewalt und Alltagsrassismus wie Black Lives Matter hat sich ein komplettes antirassistisches Management herausgebildet, mit Beratungsliteratur, Seminarangeboten und Selbstläuterungsanstrengungen, in denen „Rassismus“ nur in Form von Eigen- oder Fremdanklage im unmittelbaren Nahbereich oder in therapeutischer Behandlung verhandelt wird. Diese Literatur hat mit Gesellschaftskritik und -veränderung wenig zu tun, sondern begleitet lediglich einen Teil der Mittelschichten in ihrer Rollenfindung und Vorbereitung auf die Herausforderungen multiethnischer Migrationsgesellschaften.“ (2)

Tatsächlich erscheint es mir falsch, wenn Christian Frings behauptet, der Text von Viehmann und GenossInnen böte „nur noch die Perspektive einer moralischen Selbstvergewisserung“. Dass die autonome Linke sich damals in „Mikrowidersprüche“ verrannt hätte, ist so nicht ganz nachvollziehen. Damals gab es eine veritable Praxis, die vom Antirassismus ausging, die Migration begrüßte und Flüchtlinge in breit gefächerten Kampagnen gegen Lagerunterbringung, Esspakete, Residenzpflicht unterstützte. Ausgehend von diesem praktischen Widerspruch, dem handfesten rassistischen Umgang mit Geflüchteten, einem Widerspruch, der sich über die soziale Realität und nicht über Gedankenkonstruktion ergeben hatte, suchten AktivistInnen ihre Praxis zu erweitern: beispielsweise um die Kampagnen gegen städtische soziale Säuberungen von Obdachlosen, dann auch mittels Kiezläden und Verankerungsversuchen in proletarischen Stadtteilen. Besonders dem Bremer Anti-Rassismus-Büro kam Anfang der 90er Jahre die wichtige Rolle zu, ausgehend vom Antirassismus zu anderen Feldern der sozialen Konflikte vorstoßen zu wollen und die Kämpfe miteinander zu verbinden. Später dynamisierte sich das Feld und akademische Initiativen wie Kanak Attak kritisierten den deutsche Einwanderungsdiskurs. Sie machten die Legalisierung von MigrantInnen in Anlehnung an die französischen Sans papiers zum Thema. In diesem Umfeld ist auch die recht nachhaltige, jedoch zuweilen zum Bekenntnisslogan verkommene kein mensch ist illegal-Kampagne entstanden. Hier führt der Weg weiter zu absolut wichtigen Aktionsfeldern der heutigen antirassistischen Szene, die sich praktisch gegen das Morden von MigrantInnen im Mittelmeer engagieren, beispielsweise mit Seenotrettung. Zu diesen zeitgenössischen antirassistischen Kämpfen ist auch jener gegen Racial Profiling im öffentlichen Raum zu zählen.

Die Motivation der heutigen AktivistInnen dürfte recht ähnlich sein wie jene der älteren radikalen Linken, die die Flüchtlinge und MigrantInnen auf Demos, in praktischem Flüchtlingsheimschutz, aber auch Lager-Kritik und Anti-Lager-Kampagnen unterstützten. Beides hat und hatte sicherlich eine starke moralische Dimension. Diese moralische Dimension zu verhöhnen, erscheint mir heutzutage als unfair und wenig zielführend. Moralkritik resultiert häufig entweder aus einer Herrenmoral, die nietzscheanisch gestimmt schon immer einen praktischen Humanismus von unten lächerlich machte, oder aus einem recht dogmatischen Marxismus, der meint, er wäre frei von Ethik und Moral, welche lediglich „bürgerlich“ seien. Wie kam Marx dann aber auf den Satz, alle Verhältnisse seien umzuwerfen, in denen der Mensch ein beleidigtes, unterdrücktes und verlassenes Wesen sei?

Der linksradikale Aktivismus der frühen 90er Jahre erschöpfte sich nicht in „moralischer Selbstvergewisserung“, sondern kulminierte in zuweilen militantem Aktivismus, der von einer „sozialrevolutionären Moral“ (Detlef Hartmann) befeuert werden sollte. Insofern muss Klaus Viehmann meines Erachtens Recht gegeben werden, wenn er in seinem jüngsten Kritikpapier (3) an dem Vorwort von Christian Frings auf die antirassistischen Kampagnen der damals anders gelagerten autonomen Szene, auf die aktivistischen antirassistischen Gruppen, die damals gemeinsam mit und solidarisch für Geflüchtete und Sinti und Roma gekämpft haben, oder auf die Revolutionären Zellen mit ihren „Freies Fluten“-Aktionen verweist. Im Rückblick muss immer versucht werden, nicht der Nostalgie anheimzufallen, aber ich muss Klaus Viehmann zustimmen, dass eine vielseitige radikale Praxis in dieser Zeit verfolgt wurde, die man schon um den Preis korrekter linker Geschichtsschreibung nicht auf den Nenner „moralische Selbstvergewisserung“ bringen sollte. Die Debatten um die Dreifachunterdrückung, um triple oppression und "Drei zu Eins" gehörten dazu und begleiteten diese Praxis.

Ob sie allerdings in der Form und in der Art und Weise, wie Diskussionen damals geführt wurden, noch heute von Relevanz sind, wage ich ebenfalls zu bezweifeln. Klaus Viehmann schreibt über seinen eigenen historischen Text: „Die bereits damals geäußerte inhaltliche und auch praktisch umgesetzte Kritik (gemeint ist "Drei zu Eins", Kritik meint Kritik an einem angeblich verengten Klassenbegriff, G.H.) ist hingegen nach wie vor aktuell." (4) Dies kann ich nicht nachvollziehen. Damals gab es ein Milieu, für das der Text geschrieben wurde und das es heute so gar nicht mehr gibt. Adressat des Textes war die damals nicht irrelevante autonome und antiimperialistische Szene, wie sie sich in den 80er Jahren formiert hatte. Diese Szene war sicherlich „weiß“ geprägt, wie Viehmann und GenossInnen in dem historischen Text kritisch festhielten (ob sie auch so männlich geprägt war, wie behauptet, darüber ließe sich streiten, mein Eindruck war ein anderer). Diese Beschreibung wurde in dem Drei-zu-Eins-Papier mit dem Vorwurf der „Privilegierung“ verknüpft.

Nicht beschrieben wurde in "Drei zu Eins", dass diese autonome Szene ein Produkt des Sozialstaats BRD war. Sie übte sich in kreativem Gebrauch von Sozialkohle, Bafög, Arbeitslosen und Sozialhilfe; der Zwang zur Lohnarbeit und die Bereitschaft zu (universitären) Karrieren war damals geringer, es gab einen größeren Zeitfonds für Politaktivismus als heute. Manche aus der Szene jobbten, andere hatten mit der Welt der Arbeit kaum Berührung. Im Gegensatz zu älteren linksgewerkschaftlichen Kreisen war „Antikapitalismus“ in der autonomen Szene mehr Parole als gelebte Erfahrung. Auch in "Drei zu Eins" werden konkrete Klassenkämpfe kaum geschildert (Ford 1973 wäre ja ein passendes Beispiel, in dem die (Anti-)Rassismusdimension durchaus eine Rolle spielte). So blieb die Kritik des Kapitals als sozialem Verhältnis in "Drei zu Eins" unterkomplex und erschöpfte sich in einer Definition als Kampf zwischen Lohnarbeit und Kapital. Was die Vorstellung von Klassenkampf und Grund- bzw. Hauptwiderspruch von Kapital und Arbeit anbelangt, so hat man eher den Eindruck, dass die AutorInnen von "Drei zu Eins" einer maoistischen Marx-Vereinfachung folgten, die ja auch in Teilen des aktivistischen 70er und 80er Milieus verbreitet war.

Bereits zu seiner Erscheinung wurde der Text durchaus kritisch aufgenommen. Ich habe aus Anlass des aktuellen Streits das alte Buch „Metropolen(gedanken) & Revolution“ von 1991 wieder rausgekramt und konnte an meinen Seitekommentierungen und Anstreichungen rekonstruieren, was mir bereits damals nicht schlüssig vorkam.
Der alte Viehmann-Text beginnt mit der Behauptung, dass die bisherigen Analysen globaler und lokaler Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnisse „ökonomistisch verzerrt“ gewesen seien. Dieser Vorwurf des „Ökonomismus“ erschien mir konstruiert, auch die Behauptung, dass Patriarchat und Rassismus „unsichtbar“ gemacht worden seien. Mit bisherigen Analysen war wohl der Marxismus gemeint, er wurde aber in seiner Theorie wie Anwendung gar nicht näher dargestellt. Dass der Begriff des „Imperialismus“ scheinbar nur noch additiv als Herrschaftsform zu den anderen drei „Unterdrückungsverhältnissen“ dazutreten sollte, wie der Text suggeriert, erschien mir auch als wenig einsichtig. Dass antipatriarchale Kämpfe von Klassenkämpfen getrennt wurden, obwohl sie sich ja gelegentlich gegen die Gewalt des Reproduktionsbereichs wenden, erschien mir nicht stringent. Zu einer kleinen Passage verfasste ich einen Kommentar. Viehmann und GenossInnen schrieben: „Herrschaft ist ein zentraler Begriff. Sie als eine Seite der Dualität zwischen Männern und Frauen, zwischen Weißen und Schwarzen, zwischen Lohnarbeit und Kapital zu definieren, greift zu kurz. Das unterstellt eine Ausschließlichkeit und völlig getrennte Existenz der jeweiligen Seite, wie sie jeder Dialektik völlig fremd ist.“ Ich kommentierte am Rand: „Genau dies praktiziert aber die triple-oppression-Theorie!“ Auch ein anderer Satz aus dem Text erschien mir nicht plausibel zu sein: „Die Definition des Feindes gelingt mit der Triple-Oppression-Anwendung vollständiger.“ „?Und sonst?“, schrieb ich 1991.

Auch wenn es also um das Objekt des Angriffs gehen sollte, Viehmanns Text ursprünglich eine andere Intention verfolgte, wurde "Drei zu Eins" oft als Aufforderung verstanden, den unterdrücktesten und manchmal sogar randständigsten Teil der Klasse als revolutionäres Subjekt auszumachen. Es war kein Zufall, dass damals in den letzten antiimperialistisch-autonomen Stadtzeitungen der frühen 90er Jahre nur noch hochmoralische Debatten über Patriarchat und Imperialismus geführt wurden, an deren Ende der Bezug auf „die schwarze Frau des Trikonts“ stand.

Heute würde ich sagen, dass der Text daran krankt, Ausbeutung und Herrschaft, Unterdrückung, Diskriminierung nicht auseinanderzuhalten und so auch ihre Verwobenheit nicht angemessen skizzieren zu können. Zwar wird unter der Hand von Antikapitalismus ausgegangen, dieser wird allerdings bereits verkürzt als „Unterdrückung“ entlang der Achse Kapital/Arbeit begriffen. Darüberhinaus wird er zu einer historisch wie theoretisch eher patriarchal und rassistisch unterlegten sozialen Erscheinung erklärt, obwohl Frauenkampf und Klassenkampf bei August Bebel in der Theorie und in der Praxis, aber auch bei Clara Zetkin oder den spanischen anarchosyndikalistischen Mujeres Libres als Gemeinsames begriffen wurde. Die Kämpfe schwarzer ArbeiterInnen und von SklavenarbeiterInnen wurde auch im Kosmos der Kommunistischen Parteien positiv rezipiert, wenn diese Rezeption auch zeitbedingt war und heutigen Maßstäben nicht genügen mag.

Hier liegt dem Text von "Drei zu Eins" ein Pappkamerad zugrunde. (5) Kapitalismus erscheint in "Drei zu Eins" wie in manchen aktuellen „Klassismus“-Diskussionen nur als Diskriminierungsmerkmal neben anderen Diskriminierungsmerkmalen wie Sexismus, Rassismus usw. Die fundamental kritische Frage an den Drei-zu-Eins-Text wie an heutige Debatten der Intersektionalität lautet demnach: Kommt der Klassenstruktur eine qualitativ verschiedene Bedeutung zu? Dass Eleonora Roldán Mendívil, Bafta Sarbo und Christian Frings heutzutage diese Frage wieder stellen, ist eminent wichtig. Ob sie eine andere Praxis nach sich zieht, als die älteren Drei-zu-Eins-Debatten, sei dahingestellt. Eine Theorie-und-Praxis-Kluft scheint im neomarxistischen Milieu vorzuherrschen. Interessanterweise spricht sich ein Beitrag des Sammelbandes von Bafta und Mendívil für einen Kampf gegen Racial Profiling aus, eine Praxis, der man sich auch ohne das Wissens der blauen MEW-Bände anschließen kann – und die mit einer marxistischen Vorstellung von Klassenkampf im traditionellen Sinn nicht viel zu tun hat.

Verschiedene Generationen radikaler Linker sind also wieder in einer Suchbewegung.
Im Grunde wäre es auch darum an der Zeit, den bundesrepublikanischen Linksradikalismus zu historisieren. Denn auch der Wildcat-Klassenkampf-Fetisch, der in jeder Ausgabe des Blattes der 80er und 90er Jahre beschworen wurde, hat sich als Nebelkerze erwiesen, ebenso wie so manche Aussage im Drei-zu-Eins-Text. Wenn Klaus Viehmann die ewig optimistischen autonomen Klassentheorien der 80er Jahre etwas spöttisch hochnimmt, ist ihm im Kern durchaus Recht zu geben. Tatsächlich: „Die behauptete 'transnationale proletarische Unterklasse'“, die stets kämpfe und kurz vor dem revolutionären Durchbruch stünde, war recht „subjektlos“. (6) Dass Christian Frings ein Vorwort zu einem von der Rosa-Luxemburg-Stiftung geförderten Buch schreibt, dessen Aussagen sich mit „demokratischem Sozialismus“ und sogar neo-leninistischen Gedanken vertragen, verweist ja auch darauf, dass der autonome und spontaneistische „Klassen“-Diskurs der alten Wildcat in eine Krise geraten ist. Genauso wie jener der "Materialien für einen neuen Antiimperialismus", wie jener einiger historischer RZ-Texte. Ob Organizing oder Parteiaufbau aus der Krise der Linken und der Kämpfe herausführen, steht allerdings auf einem anderen Blatt …
Richtig erscheint mir die Schlussbemerkung Viehmanns: „Die heutige Schwarze und migrantische Bewegung hat eine ganz andere Basis und kann auf mehr Erfahrungen zurückblicken – sie könnte eine viel stärkere und langfristigere Wirkungsmacht entfalten, als es damals gelang.“ Genau, deshalb wäre wünschenswert, die eigene Geschichte stärker zu historisieren und nicht wieder alte Schlachten in den verstaubten Kostümen zu schlagen.

Anmerkungen:
1) Klaus Viehmann und GenossInnen, Drei zu Eins. Klassenwiderspruch, Rassismus und Sexismus, in: (Metropolen)gedanken und Revolution. Texte zur Patriarchats-, Rassismus- Internationalismusdiskussion, Berlin 1991
2) Gerhard Hanloser, Identitätspolitik und linke Geschichte. Ein Versuch, in: ders. (Hg.) Identität und Politik. Kritisches zu linken Positionierungen, Mandelbaum Veerlag Wien 2022, S. 97f.
3) Klaus Viehmann, Drei zu Eins. Eine Richtigstellung, in: SoZ, Nr. 11/2022, online: https://www.sozonline.de/2022/11/drei-zu-eins/
4) Klaus Viehmann, Drei zu Eins. Eine Richtigstellung, 2022 a.a.O.
5) In dem Band Identität & Politik dekonstruieren diesen Pappkameraden die beiden Mitautoren Felix Wemheuer und Karl Reitter.
6) Klaus Viehmann, Drei zu Eins. Eine Richtigstellung, 2022 a.a.O.

Gerhard Hanloser arbeitet als Lehrer und Publizist in Berlin. Letzte Veröffentlichung als Herausgeber im Mandelbaum Verlag: "Identität und Politik. Kritisches zu linken Positionierungen " (Wien 2022)

Teile diesen Beitrag:
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.