Wer kann schon von sich sagen, ein Gedankengang gehöre ihm?

Bert Brecht hielt nicht viel vom Recht auf geistiges Eigentum. Wir auch nicht. Wir stellen die SoZ kostenlos ins Netz, damit möglichst viele Menschen das darin enthaltene Wissen nutzen und weiterverbreiten. Das heißt jedoch nicht, dass dies nicht Arbeit sei, die honoriert werden muss, weil Menschen davon leben.

Hier können Sie jetzt Spenden
PDF Version Artikellink per Mail  | Soz Nr. 03/2023

Der Stadthistoriker Fritz Bilz geht einem dunklen Kapitel in Köln nach
von Larissa Peiffer-Rüssmann und Hans Peiffer

Fritz Bilz: Im Schatten des Doms zu Köln. ­Bausteine einer ­Gegengeschichte. Köln: PapyRossa, 2022. 106 S., 12,90 Euro

Der Kölner Dom ist weit über Köln hinaus bekannt und bewundert. Als prächtiger gotischer Bau ist er das Sinnbild schlechthin für Köln. Aber in seinem Schatten verübte die katholische Kirche zahlreiche Verbrechen, verbündete sich mit den Mächtigen und verweigerte Hilfe für Verfolgte. In 18 Episoden blickt Fritz Bilz auf die Schattenseiten einer Kathedrale.

Als 1248 mit dem Bau des Doms begonnen wurde, ging es darum, das Christentum als staatstragende Religion aufzubauen und den angeblichen Gebeinen der Heiligen Drei Könige eine würdige Ruhestätte zu geben. Bekanntlich ließ sich mit Knöchelchen bei den Pilgern richtig Geld machen.
Bei der Hexenverfolgung spielte das Erzbistum Köln eine herausragende Rolle. Führende Vertreter des Dominikanerordens waren im 13.Jahrhundert Albertus Magnus, bis heute Namensgeber der Kölner Uni, und sein Schüler Thomas von Aquin. Sie verfassten die ersten theoretischen Werke zur Hexerei. Im folgenden Jahrhundert weiteten sich die Hexenprozesse weiter aus.
Und wieder war es ein Dominikaner, der bei vermeintlichen Hexentaten genaue Anleitungen zur Folter, zum Verhör und zur Urteilsfindung empfahl. Jakob Sprenger, Theologieprofessor an der Kölner Uni, verfasste den Hexenhammer, ein Handbuch für die Justiz. Unter dem Erzbischof Ferdinand von Bayern wurde Köln zum Zentrum der Hexenverfolgung.
Ein trauriger Höhepunkt war die Anklage, Folter und Verurteilung der Katharina Henoth 1626/27, die als Postmeisterin mit ihrem florierenden Betrieb eine lästige Konkurrenz für die Familie Thurn und Taxis war. Da war der Kölner Erzbischof ganz hilfsbereit, zumal er die hohen Schulden, die er bei ihr hatte, durch ihren Tod nicht mehr zurückzahlen musste.

Judenprogrome
Wir erfahren Geschehnisse im Schatten des Domes, die von offizieller Seite gerne verschwiegen werden. Dazu gehören die Judenprogrome von 1348/49, bei denen es in Europa zum größten Massaker an den Juden kam – Rat und Erzbischof in Köln sahen tatenlos zu und stritten sich lieber um die jüdische Hinterlassenschaft.
Erst 1798 siedelte sich die erste jüdische Familie wieder in Köln an, nachdem die französische Besatzung das Niederlassungsrecht in Köln ausdrücklich genehmigt hatte. Trotzdem blieb es Brauch, beim Ostergottesdienst im Dom einen aus Werg und Stroh stilisierten Judenkopf zu verbrennen. Bis heute hängt an einem Chorpfeiler des Doms eine »Judensau« in Form eines Wasserspeiers aus dem späten Mittelalter, eine beleidigende und diskriminierende Darstellung. Dieser Geist lebte weiter und mündete schließlich durch die Zusammenarbeit zwischen Papst und Hitler in eine todbringende Allianz, die das größte Judenprogrom aller Zeiten zur Folge hatte.
Während des NS-Regimes gab es keinen Widerstand der offiziellen Kirchen, obwohl die Judenverfolgung sechs Millionen Juden in Europa und rund 10000 in Köln das Leben kostete.
Dazu gehörte auch Edith Stein, die als konvertierte Jüdin in den Karmeliterorden in Köln eintrat. Nach der Reichsprogromnacht 1938 flüchtete sie in ein Karmeliterkloster in den Niederlanden. Während die niederländische Bischofskonferenz sich weigerte, den Nazis die Namen der Konvertierten zu nennen, kooperierte die deutsche Bischofskonferenz bereitwillig und verriet die Untergetauchten, was 1942 zur Verhaftung von Edith Stein und zu ihrer Ermordung in Auschwitz führte.
Das Buch schildert ausführlich, auf welch beschämende Weise die Verbundenheit mit dem Regime zelebriert wurde. Der Dombaumeister Hans Güldenpfennig ließ mehrere Hakenkreuze aus Stein meißeln, die oben an der Balustrade unter dem Domdach gut sichtbar angebracht wurden. Nach 1945 wurden sie nicht entfernt, sie hängen dort noch heute.
Der Kölner Kardinal Frings und das Generalvikariat verweigerten widerständigen Katholiken jede Hilfe, mit Widerstand wollten sie nichts zu tun haben. Nach 1945 sah das alles etwas anders aus, sie stellten belasteten ranghohen Nazis sogenannte Persilscheine aus.
Die deutschen Bischöfe halfen Kriegsverbrechern und Mitverantwortlichen des Völkermords mit Hilfe des Vatikans zur Flucht, zumeist nach Südamerika, damit diese einer Bestrafung entkamen. Abschließend kam die Generalabsolution durch Kardinal Frings: »Wir deutschen Katholiken waren keine Nationalsozialisten.«
Nach 1945 bekämpfte Frings die gerade gegründete Einheitsgewerkschaft und forderte, gegen den Willen aller Parteien, christliche Gewerkschaften, die 1955 aus der Taufe gehoben wurden. Fritz Bilz beschreibt noch weitere dunkle Flecken im Schatten des Doms, bis hin zu den jüngsten Missbrauchsskandalen in den eigenen Reihen. Das Erzbistum Köln zeigt sich bis heute unfähig, die eigene Geschichte kritisch aufzuarbeiten.
So schließe ich mit einem Zitat von Heinrich Heine (1844): »In diesem Riesenkerker wird die deutsche Vernunft verschmachten.«

Teile diesen Beitrag:
Kommentar zu diesem Artikel hinterlassen

Spenden

Die SoZ steht online kostenlos zur Verfügung. Dahinter stehen dennoch Arbeit und Kosten. Wir bitten daher vor allem unsere regelmäßigen Leserinnen und Leser um eine Spende auf das Konto: Verein für solidarische Perspektiven, Postbank Köln, IBAN: DE07 3701 0050 0006 0395 04, BIC: PBNKDEFF


Schnupperausgabe

Ich möchte die SoZ mal in der Hand halten und bestelle eine kostenlose Probeausgabe oder ein Probeabo.